Konfliktakademie ConflictA: Prof. Andreas Zick über Erfolge und Herausforderungen

Sie ist die erste eigenständige Einrichtung ihrer Art an einer deutschen Universität: die Konfliktakademie ConflictA an der Universität Bielefeld. Ziel der durch das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderten ConflictA ist, zu einem Ort der Verständigung über gesellschaftliche Konflikte auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu werden.

Im Interview: Professor Dr. Andreas Zick, Direktor ConflictA

Herr Professor Zick, wie geht es unserer Gesellschaft?

Professor Zick

Andreas Zick ist seit 2013 Direktor des IKG und seit 2008 Professor für Sozialisation und Konfliktforschung an der Fakultät für Erziehungswissenschaft Universität Bielefeld. Er ist zudem Direktor der Konfliktakademie und einer der Leiter des Center for Uncertainty Studies (CeUS).

Universität Bielefeld

Viele Menschen sind mit ihrem persönlichen Leben zufrieden, doch das ändert sich, wenn es um Konflikte bezüglich Daseinsvorsorge, Infrastruktur, Klima oder Sicherheit geht. Vor einem Jahr haben wir den Konfliktmonitor gestartet und im Sommer dieses Jahres über 2.000 Menschen nochmal befragt, um ihre Wahrnehmung der Lage des Landes und der Konflikte zu erfassen. Die Ergebnisse deuten auf einen weit verbreiteten Konfliktpessimismus hin. Konflikte werden als wichtig angesehen, um die Demokratie voranzubringen, doch die Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass die Politik die Themen nicht angemessen behandelt und die aktuellen Konflikte zu Stillstand führen. Eine überwältigende Mehrheit – 70 % – glaubt, dass die Konflikte zunehmen, während 46 % der Menschen negativ und nur 21 % positiv in die Zukunft blicken. Es fällt auf, dass Personen mit negativen Zukunftserwartungen eher für autoritäre Konfliktlösungen offen sind. Viele Menschen erwarten eine weitere Spaltung der Gesellschaft. Polarisierung, Populismus, Extremismus sowie innere und äußere Bedrohungen prägen ja auch die Diskussion über Stabilität und Zukunft. Im Dezember 2025 äußerte die Hälfte der Befragten die Ansicht, dass die Demokratie in Deutschland in erheblichem Maße gefährdet sei, während 30 % sogar glaubten, dass sie am Ende sei. Das Land ist geprägt von Verunsicherungen, Angriffen auf die Demokratie, Konflikten und neuen Ungewissheiten. Es ist nun entscheidend, Konflikte in wichtigen Lebensbereichen konstruktiv zu lösen und die Frage zu klären, in welche Richtung wir uns entwickeln wollen.

ConflictA soll als Plattform dienen, um gesellschaftliche Konflikte zu analysieren und Strategien für einen konstruktiven Umgang zu entwickeln. Inwieweit ist Ihnen das schon gelungen?

Professor Zick mit Verdienstkreuz

Am 15.10.2025 erhielt Prof. Dr. Andreas Zick das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. In der Feierstunde wurde hervorgehoben, dass Andreas Zick mit seiner Forschung dazu beitrage, über gesellschaftliche Entwicklungen aufzuklären, Missstände und Gefahren zu benennen und das gesellschaftliche Bewusstsein für Demokratie, Toleranz und Vielfalt zu stärken – in der Politik ebenso wie in der Öffentlichkeit (siehe Pressemitteilung Universität Bielefeld: Andreas Zick erhält Verdienstkreuz am Bande)

Universität Bielefeld

Es war eine gute Entscheidung, die Konfliktakademie auf drei Programmlinien auszurichten: Globale Krisen und lokale Konflikte, Konfliktentwicklungen sowie Konfliktpolitiken und -kulturen. Innerhalb dieser Linien finden Analysen, Diskussionen, die Ausarbeitung von Konfliktlösungen und der Wissenstransfer statt. Über 30 Projekte, sowohl kürzere als auch längere, werden dort durchgeführt. Zudem legen wir großen Wert auf eine klare und verständliche Kommunikation unserer Ergebnisse an die Zielgruppen und die erforschten Räume. Ich bin beeindruckt, wie wir schwierige Themen mit Experten und Betroffenen verhandeln. Dazu gehören zum Beispiel die Behandlung kommunaler Konflikte, die Ansprache von Sexismus und Gewalt in Bildungsräumen sowie die Verbesserung der Teilhabe junger Menschen an Konfliktaushandlungen. Wir haben neue Dialogräume geschaffen, in denen über die tieferliegenden Konflikte gesprochen werden kann, die oft hinter den oberflächlich verhandelten Auseinandersetzungen liegen. Wir haben uns auch der Frage gewidmet, wie durch Erinnerungskultur Wissen über Konfliktkulturen entstehen kann. Wir haben den Konfliktmonitor erfolgreich geprüft. Bald werden wir mit dem Monitor ein Instrument haben, das Konfliktwahrnehmungen erfasst und mit Daten aus Kreisen und Kommunen verbinden kann. So können wir prüfen, welchen Einfluss die Lebensbedingungen auf die Wahrnehmungen haben. Unser Team wird sicherlich noch viele weitere Erfolge zu verzeichnen haben.

Was waren aus Ihrer Sicht die ConflictA-Highlights in 2025?

Mein persönliches Highlight ist, dass wir durchatmen können. In der Haushaltsbereinigung haben wir eine Verlängerung für die Zeit nach der ersten Förderphase bekommen. Das ist ein großer Erfolg, der uns in Zeiten, in denen alle sparen müssen, Sicherheit und Stabilität gibt. Wir haben den Wissenstransfer in öffentliche Räume schnell umgesetzt und Kolleginnen und Kollegen aus Forschung und Praxis in Projekten zusammengebracht. Es funktioniert hervorragend, und die Anfragen und der Bedarf an externer Expertise sind kaum zu bewältigen. Besonders freue ich mich über die Formate, bei denen Menschen und Gruppen teilnehmen, die sonst kaum Berührungspunkte mit Forschung, Politik oder Institutionen haben. Nach einem vermutlich islamistischen Anschlag im Mai in Bielefeld haben wir innerhalb weniger Stunden eine zentrale Austauschveranstaltung mitten in der Stadt organisiert. Dort kamen Menschen und Gruppen zusammen, die wir sonst selten sehen. Ein weiteres Highlight waren die ConflictA-Talks, bei denen wir mit Gästen über die Hintergründe von Konflikten, etwa während der Kommunalwahl in NRW, sprechen konnten.

Seit November 2025 ist ConflictA ist Teil des Bundesnetzwerks Konfliktbearbeitung. Mit welchen Perspektiven?

Ich freue mich sehr, dass wir als Projekt einer Wissenschaftseinrichtung Teil dieses Netzwerks sein können. Die Mitglieder kommen aus verschiedenen Bereichen zusammen, und in Deutschland gibt es eine Fülle an verstreuter Expertise. Wir alle spüren, dass die Konflikte im Land, in unseren Institutionen und Unternehmen nicht weniger werden. Dieses Netzwerk verbindet Wissen und sucht nach Wegen zur demokratischen Konfliktbearbeitung. Es bietet Einblicke in unterschiedliche Kompetenzen und fokussiert sich auf das Wissen über konstruktive Konfliktlösungen. In modernen Wissenswelten ist es entscheidend, zu wissen, wo und wie Wissen zusammengeführt und gespeichert werden kann. Die ConflictA kann für das Netzwerk ein zentraler Ort werden, an dem Konfliktwissen aus der Forschung zusammenkommt und abgerufen werden kann.

Was steht auf Platz 1 der ConflictA-Agenda für 2026?

Es ist zunächst schwierig zu beantworten, welche Konflikte das Land im nächsten Jahr erschüttern werden. Wir sind gespannt darauf. Unsere Flexibilität ist entscheidend, um angemessen auf solche Konfliktsituationen reagieren zu können. Nebenbei haben wir ein festgelegtes Arbeitsprogramm. Die Entwicklung einer innovativen Wissensplattform und die Erstellung sowie Veröffentlichung eines umfassenden Konfliktmonitors für das Land stellen besondere Herausforderungen dar. Ein ständiges Anliegen bleibt jedoch an erster Stelle: Wir streben danach, wahrgenommen zu werden und die Zielgruppen zu erreichen, die Konfliktlösungen benötigen.


Herzlichen Dank, lieber Herr Professor Zick, und weiterhin viel Erfolg!

(Das Interview erfolgte schriftlich am 4. Dezember 2025; Fragen: Katrin Schlotter)

ConflictA

Im April 2023 startete der Aufbau ConflictA am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Die wissenschaftliche Leiterin ist Dr. Kerstin Eppert. Der Leitsatz der ConflictA ist „Konflikte beforschen, besprechen, bearbeiten und daraus lernen.“ Der Aufbau der ConflictA wird als Projekt aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Ziel der Beteiligten ist, als eigenständige Einrichtung zu einem Ort der Verständigung über gesellschaftliche Konflikte auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu werden. Die ConflictA ist die erste Einrichtung ihrer Art an einer deutschen Universität.
Förderzeitraum: 04/2023 – 03/2027

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