Konfliktakademie ConflictA – Interview mit Professor Andreas Zick

Gesellschaftliche Konflikte in Deutschland nehmen zu. Wie lassen sie sich nachhaltig erforschen und bearbeiten? Das erfahren Sie hier im Interview mit Professor Andreas Zick, Direktor der ConflictA, der ersten Konfliktakademie an einer deutschen Universität.

Mit der BMBF-geförderten ConflictA an der Universität Bielefeld schaffen Sie eine Plattform, um gesellschaftliche Konflikte zu analysieren und Strategien für einen konstruktiven Umgang zu entwickeln. Wie kam es dazu?

Prof. Dr. Andreas Zick

Prof. Dr. Andreas Zick ist Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG), Professor für Sozialisation und Konfliktforschung an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld Professor und zusammen mit Dr. Kerstin Eppert wissenschaftlicher Leiter der im April 2023 gegründeten Konfliktakademie ConflictA an der Universität Bielefeld.

Universität Bielefeld

Dort, wo Konflikte destruktiv werden, fehlt oft Wissen über Konfliktdynamiken und Gegenstrategien. Es fehlt an Kapazitäten wie auch Möglichkeiten, auf Forschungsbefunde zurückzugreifen. Wir haben uns zum Beispiel schon vor der Akademiegründung mit den Wirkungen rechtsextremer Gruppen beschäftigt. Da, wo sie auftauchen, produzieren sie Konflikte. Zivilgesellschaftliche Gruppen, Schulen, Behörden und andere haben kaum Personal, Zeit und Raum. Sie sind zugleich aber hoch motiviert, Wissen aus der Forschung einzubinden. Die Forschung gelangt aber ihrerseits nicht einfach dorthin. Am Ende können Konflikte nicht nachhaltig bearbeitet werden. Daher stellt sich die Frage, wie wir Räume schaffen, in denen der Austausch zwischen Wissenschaft und jenen, die wissensbasiert arbeiten möchten, besser klappt. Und der Bedarf ist groß. Wir haben mit dem ersten Konfliktmonitor, mit dem wir 2.900 repräsentativ ausgewählte Bürger und Bürgerinnen zu ihrer Konfliktwahrnehmung befragt haben, festgestellt, dass 82 Prozent überzeugt sind, die gesellschaftlichen Konflikte in Deutschland werden zunehmen. 72 Prozent meinen, es gelinge derzeit nicht, die Konflikte zu lösen und viele erwarten, dass dies so bleibt.

Welche Konfliktthemen beschäftigen die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland?

Nach den Ergebnissen des Konfliktmonitors sind das innere Sicherheit (78 %), Migration und Asyl (77 %), Meinungsfreiheit (76 %), Zugang zur Infrastruktur (73 %), soziale Ungleichheit (69 %) und die Gesundheitsversorgung. Darin unterscheiden sich Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte nicht. Aber, erstens, sind es auch viele andere Themen wie Rechtsextremismus (67 %), der Unterschied zwischen Arm und Reich (65 %) und der Klimawandel (61 %), und, zweitens unterscheiden sich Gruppen. Jüngere finden es zum Beispiel wichtiger, über die Konfliktthemen Meinungsfreiheit und Gesundheit zu streiten und zu diskutieren als Ältere. Frauen wünschen mehr als Männer Debatten über die Gesundheitsversorgung. Uns interessiert, welche Ursachen und Lösungen Menschen sehen. Unter den Top-Ursachenzuschreibungen sahen die Befragten im zurückliegenden Befragungszeitraum eine mangelnde Kooperation in der Bundesregierung (70 %) wie auch eine generelle Inkompetenz von Parteien und Politik (68 %) sowie Egoismus und fehlende Solidarität in der Gesellschaft (67 %). Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die neue Regierung mit mehr Konflikten um Interessen, Werte und Fragen der Zugehörigkeit rechnen muss, und sie sollte sich angesichts der Einflüsse von außen konfliktresilienter aufstellen. Wie sinnvoll das wäre, hat die Coronapandemie gezeigt. Sie ging mit Konfliktdynamiken und populistischen Lösungsansätzen einher, weil viele in Politik und Gesellschaft dachten, mit Regeln oder finanziellen Ressourcen könne man die Gesellschaft befrieden.

Was sind Ihre „lessons learned“ aus der Pilotphase?

Wir sind im Lernprozess. Mir war die Dimension der Bedarfe nicht so klar. Wo immer wir sind, bekommen wir Nachfragen. Als Wissenschaftler mag ich Materialsammlungen, Handreichungen und Leitfäden weniger, aber jene, die immer wieder neue Konflikte in Kommunen, Schulen, Politikfeldern erleben, brauchen sie. Leider ist eine Lektion auch, dass zwar immer mehr Vermittlung von Forschung gewünscht wird, aber uns Forschenden kaum beigebracht wird, wie wir am besten Wissen vermitteln.

Welche Formate haben sich bewährt, um Konflikte konstruktiv zu lösen? Warum?

Im kommunalen Konfliktmanagement sind wir weit, weil wir dort starke Praxispartner haben. Bewährt hat sich auch die Zusammenarbeit mit der Kultur und mit Bildungsinstitutionen. Konflikte, die immer wieder eskalieren, bilden Muster aus. Also versuchen wir, eine andere Konfliktkultur zu etablieren. Gerade Kultureinrichtungen sind kreativ darin, andere Perspektiven zu vermitteln. Das, was wir gerade an Zerstörung von Werten und Normen durch den Populismus erleben, kann nur zerstören, wenn es sich als Gegenkultur tradiert. Also kommt es darauf an, wie dem eine konfliktfähige Demokratiekultur entgegengesetzt werden kann.

Welche Konfliktphänomene stehen in der Hauptphase im Fokus?

Mit den ConflictA-Talks, Konferenzen und Einzelprojekten schaffen wir Räume, die sich mit allen Konflikten beschäftigen, die ein demokratisches Konfliktaushandeln gefährden. Begrenzt ist das durch unsere Schwerpunktbereiche. Erstens interessieren wir uns für den Zusammenhang von globalen und lokalen Konflikten, also zum Beispiel den Wirkungen der globalen Coronapandemie oder des Klimawandels. Zweitens beschäftigen wir uns mit Konflikttransformationen, also wie Konflikte sich verändern und welche Dynamiken sich daraus ergeben. Drittens versuchen wir, Konfliktpolitik und -kulturen zu verstehen. Das tun wir auch mit der Frage, wie gewaltorientierte Kulturen sich entwickeln und was Gewalt bremst. Dazu läuft ein Projekt zur Gewalt gegen Frauen. Aber wir sind offen. Wir verstehen die Akademie als Ort der Verständigung über viele Konfliktphänomene.

Besten Dank für Ihre spannenden Einblicke und weiterhin viel Erfolg, lieber Herr Professor Zick!

(Das Interview erfolgte schriftlich am 18.4.2025, Fragen: Katrin Schlotter)

ConflictA

Im April 2023 startete der Aufbau ConflictA am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Der Leitsatz der ConflictA ist „Konflikte beforschen, besprechen, bearbeiten und daraus lernen.“ Der Aufbau der ConflictA wird als Projekt aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Ziel der Beteiligten ist, als eigenständige Einrichtung zu einem Ort der Verständigung über gesellschaftliche Konflikte auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu werden. Die ConflictA ist die erste Einrichtung ihrer Art an einer deutschen Universität.

Förderzeitraum: 04/2023 – 03/2027

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