Transfer in Politik und Gesellschaft: Was können Parlamentarische Abende leisten?

Parlamentarische Abende sind geschlossene Veranstaltungen – und doch öffnen sie Türen. Über das Format und seine Rolle für den Transfer zwischen Politik und Gesellschaft sprachen wir mit Dr. Thomas Held, dem Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Friedensforschung.

Interview mit Dr. Thomas Held, Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF)

Dr. Thomas Held

Dr. Thomas Held, Geschäftsführer Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF)

Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF)

Herr Dr. Held, mit welchen eigenen Initiativen unterstützt die Deutsche Stiftung Friedensforschung die Vermittlung von Forschungsbefunden in die politische Praxis und die Öffentlichkeit? Und welche Rolle spielen dabei Parlamentarische Abende?

Die Wissenschaftskommunikation ist zum einen ein fester Bestandteil unserer Forschungsförderung, zum anderen schafft die Stiftung mit eigenen Formaten Räume für den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis. Parlamentarische Abende sind ein zentrales Element unserer Transfer- und Dialogstrategie, mit der wir Entscheidungsträgerinnen und-träger im Deutschen Bundestag zu aktuellen friedens- und sicherheitspolitischen Themen direkt ansprechen. Da wir diese Veranstaltungen in regelmäßigen Abständen anbieten, ist daraus ein etabliertes Dialogforum entstanden.

Am 25. Januar 2023 fand ein Parlamentarischer Abend  zum Ukraine-Krieg statt. Was passiert hinter verschlossenen Türen? Und welche Türen öffnen sich dadurch?

Für uns steht an erster Stelle, dass wir die Erwartungen der Teilnehmenden erfüllen. Wir bitten unsere Expertinnen und Experten darum, aus kurzen und prägnanten Analysen zum Thema des Abends politikrelevante Handlungsoptionen zu entwickeln. Danach suchen wir unmittelbar den Dialog mit unseren Gästen. Dafür bedarf es in der Regel keines großen Anstoßes. Und nicht weniger wichtig sind die Gespräche im kleinen Kreis, die sich beim anschließenden Buffet fortsetzen. Parlamentarische Abende sind immer auch ein Ort der Vernetzung. Politische Entscheidungsträgerinnen und -träger können sich darüber informieren, wo sie für ihre politische Arbeit Expertise im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung abrufen können, sei es zu tagespolitischen Fragen oder auch zu Evaluationszwecken sowie zur Konzept- und Strategieentwicklung. Die Wissenschaft kann sich ihrerseits Einblicke darüber verschaffen, was die brennenden Fragen und Herausforderungen auf der politischen Seite sind.

Bei den Parlamentarischen Abenden stellen Sie neueste Erkenntnisse aus der Forschung vor, erläutern ihre Bedeutung für die politische Praxis. Wie gehen Sie bei der Auswahl aktueller friedens- und sicherheitspolitischer Themen sowie von Expertinnen und Experten vor?

Raum der DPG mit DSE-Banner

Raum der DPG mit DSE-Banner

Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF)

Es wird Sie nicht überraschen, dass wir den Krieg Russlands gegen die Ukraine zum Thema des Abends am 25.01.23 gemacht haben. Dabei geht es uns aber nicht vorrangig um die tagespolitische Aktualität, sondern vor allem um strukturelle Aspekte und längerfristige Perspektiven. So haben wir uns zum Beispiel nicht an der teilweise hochspekulativen Debatte über den weiteren Kriegsverlauf beteiligt, sondern den Blick über den Tellerrand hinaus gerichtet. Wir wollten Denkanstöße zu den Auswirkungen des Krieges auf die ukrainische Gesellschaft und die Möglichkeiten einer Integration der Ukraine in die künftige europäische Ordnung geben. Bei solchen Veranstaltungen suchen wir nach Expertinnen und Experten, die Erfahrungen mit der Politikberatung im politischen Raum haben und die Forschungsergebnisse in angemessener Form aufbereiten und in die Debatte einbringen können. Die Parlamentarischen Abende eigenen sich nicht für lange akademische Vorträge.

Was gibt die Forschung an die Politik?

Die Forschung kann der Politik z. B. Informationen zur Verfügung stellen sowie Zusammenhänge und Handlungsoptionen aufzeigen. Sie kann Entscheidungsprozesse und Konzeptentwicklungen beratend begleiten. Zudem kann sie auf Risiken aufmerksam machen und Handlungsfolgen abschätzen. Die DSF fördert in diesem Kontext das jährlich erscheinende Friedensgutachten der großen Forschungsinstitute der Friedens- und Konfliktforschung. Was die Forschung nicht kann, ist, der Politik die zu treffenden Entscheidungen abzunehmen, geschweige denn politische Küchenrezepte zu liefern oder die Zukunft vorauszusagen. Die Wissenschaft ist ein wichtiger Partner für die Politik, der sich aber auch eine kritische Distanz und Unabhängigkeit bewahren sollte.

Und, zu guter Letzt, was ist für Sie das ideale Ergebnis eines Parlamentarischen Abends?

Am wichtigsten ist die Rückmeldung der Teilnehmenden, dass sie aus der Veranstaltung interessante Informationen und Impulse für ihre politische Arbeit mitnehmen konnten. Und im Idealfall entsteht aus dem Parlamentarischen Abend ein weiterführender Kontakt und Austausch über friedens- und sicherheitspolitische Themen. Und wir freuen uns, wenn diese Erfahrung dazu führt, dass auch der nächste Parlamentarische Abend gut besucht ist.

Herzlichen Dank, Herr Dr. Held, für die spannenden Einblicke!

(Das Interview mit Herrn Dr. Held erfolgte schriftlich am 23.02.2023, Fragen: Katrin Schlotter)
 

Die Deutsche Stiftung Friedensforschung

Die Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF) mit Sitz in Osnabrück ist eine Einrichtung der Forschungsförderung im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung. Gegründet wurde sie im Oktober 2000 durch die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem Zweck, die Friedensforschung in Deutschland dauerhaft zu stärken und zu ihrer politischen und finanziellen Unabhängigkeit beizutragen. Sie fördert wissenschaftliche Untersuchungen und Veranstaltungen sowie Vorhaben, die der strukturellen Stärkung dieses Forschungsfeldes dienen. Außerdem unterstützt die Stiftung mit eigenen Initiativen die Vermittlung von Forschungsbefunden in die politische Praxis und Öffentlichkeit.

Mit finanzieller Unterstützung des BMBF stellt die Stiftung u.a. auch Fördermittel für die Unterstützung wissenschaftlicher Projekte bereit, die sich mit den Ursachen, Dynamiken und Folgen des Angriffskriegs Russland gegen die Ukraine auseinandersetzen.

Parlamentarische Abende 

Parlamentarische Abende sind geschlossene Veranstaltungen, die sich unmittelbar an die Mitglieder des Deutschen Bundestages richten. Die  gastgebende Einrichtung wählt hierfür aktuelle  Themenstellungen aus. Die Parlamentarischen Abende bieten den Abgeordneten und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit, sich mit neueren Erkenntnissen  eines bestimmten Forschungsbereichs vertraut zu machen und geben Denkanstöße zu politischen Handlungsbedarfen und -optionen.

Mehr zum Thema