Antisemitismusforschung: BMBF-Tagung zur Förderlinie in Berlin

Antisemitismus bedroht die Demokratie als Ganzes. Wie können Politik und Gesellschaft dieser Gefahr auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse begegnen und Antisemitismus zurückdrängen? Antworten gibt die BMBF-Tagung zur Förderlinie „Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus“ am 23. Mai 2023 in Berlin, die Interessierte per Livestream verfolgen können.

Stop antisemitism

Adobe Stock / M-SUR

Polarisierung und Radikalisierung nehmen zu – nicht nur an den extremen Rändern, sondern zunehmend auch in der Mitte der Gesellschaft: Dies äußert sich in Form von Ressentiments, über Anfeindungen gegen einzelne Bevölkerungsgruppen bis hin zu Gewalt – insbesondere auch gegen Jüdinnen und Juden. Entwicklungen wie diese gefährden Menschen jüdischen Glaubens und jüdisches Leben in Deutschland und Europa, und sie bedrohen die Demokratie, den gesellschaftlichen Frieden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Als Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus auf politischer und gesellschaftlicher Ebene fördert das BMBF die wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit aktuellen Erscheinungsformen des Antisemitismus. Derzeit arbeiten zehn Forschungsverbünde und ein Begleitvorhaben über vier Jahre an der Thematik. 

BMBF-Statustagung: von der Forschung in die Praxis

Am 23. Mai 2023 findet die BMBF-Tagung zur Antisemitismusforschung in Berlin statt. Das Datum fällt auf den Tag des Grundgesetzes, welches am 23. Mai 1949 verkündet wurde. Die Veranstaltung führt Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen. Forschende und der wissenschaftliche Beirat der Antisemitismus-Förderlinie sind ebenso vertreten wie Akteurinnen und Akteure aus Praxis und Zivilgesellschaft. Rund 200 Gäste sind geladen, zudem wird die Veranstaltung per Livestream übertragen. Ziel ist es, erste bisher erreichte Forschungsergebnisse in die Praxis und in die Gesellschaft zu vermitteln, für das Thema zu sensibilisieren und das Engagement der Bundesregierung im Kampf gegen Antisemitismus zu verdeutlichen.

Dieses zeigt sich schon bei der Eröffnung der Tagung durch ein Grußwort von Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, gefolgt von Dr. Felix Klein, dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus. Über die jüdische Perspektive spricht Dr. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Moderiert wird die Veranstaltung von der Journalistin und Autorin Shelly Kupferberg.

Gebündelte Kräfte gegen Antisemitismus

Die BMBF-Förderlinie „Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus“, die am 7. April 2020 veröffentlicht wurde und die Grundlage der Tagung bildet, ist Teil des Rahmenprogramms für die Geistes- und Sozialwissenschaften „Gesellschaft verstehen – Zukunft gestalten“ (2019 bis 2025). Die Förderlinie zielt darauf ab, durch interdisziplinäre Forschung profundes Wissen über die Hintergründe, Dynamiken und Formen von Antisemitismus zu generieren und zu verbreiten. Dabei steht sowohl die Grundlagen- als auch die anwendungsorientierte Forschung zum Antisemitismus in Deutschland und Europa im Fokus. Der Transfer zwischen Forschung und Praxis und die Einbeziehung jüdischer Perspektiven spielen hierbei eine tragende Rolle.

Mit rund 12 Millionen Euro unterstützt das BMBF die zehn Forschungsverbünde an Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen aus ganz Deutschland sowie das Metavorhaben „Forschungsnetzwerk Antisemitismus im 21. Jahrhundert (FoNA21)“, das die Verbünde vernetzt und begleitet. Mit der Förderlinie trägt das BMBF dazu bei, dass Politik und Gesellschaft auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse Antisemitismus einschätzen und zurückdrängen können. Seit November 2022 findet sich die Förderlinie in einem größeren Kontext wieder: in die Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben (NASAS) der Bundesregierung, die ausschließlich auf die Bekämpfung von Antisemitismus und die Förderung jüdischen Lebens ausgerichtet ist. Die NASAS ist wiederum Teil der Antisemitismus-Strategie der EU, die auf drei Säulen setzt: Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus, Schutz und Förderung jüdischen Lebens in der EU sowie Holocaust-Gedenken und Bildungsmaßnahmen.

Forschung im Dialog

Über die Forschungen des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin sowie das Metavorhaben FoNa21 spricht zum Auftakt der Projektvorstellungen Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum. In drei Panels präsentieren die Projekte der Förderlinie ihre Zwischenergebnisse passend zur „Nationalen Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben – Betrag der Forschung“, und zwar zu den Handlungsfeldern: „Bildung als Antisemitismusprävention“, „Repressive Antisemitismusbekämpfung und Sicherheit“ sowie „Jüdische Gegenwart und Kultur“.

Bei der anschließenden Roundtable-Diskussion „Tag des Grundgesetzes: Strategien gegen Antisemitismus – Forschung im Dialog“ diskutieren Stephan J. Kramer, Verfassungsschutzpräsident Thüringen; Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen; Prof. Dr. Uffa Jensen, Zentrum für Antisemitismusforschung, Leiter des Verbundprojekts zur Erforschung der Sammlung Wolfgang Haney; Prof. Dr. Ulrike Lembke, Humboldt-Universität zu Berlin, Teilprojektleiterin im Verbundprojekt „ASJust – Antisemitismus als justizielle Herausforderung“ und Dr. Ulrike Offenberg, Rabbinerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Jüdische Reaktionen auf Antisemitismus - Die Entgrenzung des Sag- und Machbaren in der jüdischen Ritualpraxis“ an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. Ergänzend zum Dialog zwischen Forschung und Praxis gibt es eine Nachbetrachtung aus der Perspektive der Politik.
Die BMBF-Statustagung zur Antisemitismusforschung ist ein weiterer Schritt zur Vernetzung der Projektbeteiligten untereinander und mit Akteurinnen und Akteuren aus Politik, Praxis und Zivilgesellschaft. Damit trägt sie zur Stärkung des Forschungsfeldes bei und lädt zum Austausch mit der Öffentlichkeit ein.