Innovationsverständnis im Wandel
Über lange Zeit hinweg glaubte man, dass das Innovationsgeschehen mit einer kontinuierlichen Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation für große Teile der Gesellschaft verbunden sei. Angesichts Umwelt-, Klima und Finanzkrise sowie einer globalen Pandemie und eines Krieges in Europa erscheint gesellschaftliche Innovationsfähigkeit in einem neuen Licht. Neben das Ziel der Wachstums- und Wohlstandsmehrung tritt das Ziel, die sogenannten „Großen gesellschaftlichen Herausforderungen“ zu bewältigen. Die Zukunftsstrategie Forschung und Innovation - der Bundesregierung definiert mit Blick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen sechs zentrale Missionen, für die sie Transformationspfade aufzeigt, Handlungsbedarfe identifiziert und entsprechende Aktivitäten priorisiert. Zur Mission 6 mit dem Titel „Gesellschaftliche Resilienz, Vielfalt und Zusammenhalt stärken“ wird ausgeführt:
„Wir müssen eine zukunftsfähige Gesellschaft sein, die leistungsfähig, krisenfest und von Zusammenhalt geprägt ist. Gestärkt werden sollten die Fähigkeiten nicht nur zur vorausschauenden Bewältigung von Krisen, sondern auch zur proaktiven und innovationsgetriebenen Gestaltung von Transformationsprozessen hin zu einer nachhaltigen Entwicklung sowie zur Stärkung und Verteidigung der offenen, freiheitlich-demokratischen Gesellschaft.“
Damit wird den Gesellschaftswissenschaften eine wichtige Rolle im Innovationsgeschehen zugewiesen. Sie werden direkt angesprochen und aufgefordert, ihre Potenziale einzubringen, u.a. um auf einen chancenorientierten und verantwortungsvollen Umgang mit wissenschaftlichem und technologischem Fortschritt hinzuwirken. Dazu sollen Räume für das kritische Nachdenken über technologische, aber auch gesellschaftliche Veränderungen geschaffen werden.
Die (neue) Rolle der Gesellschaftswissenschaften in der Innovationsforschung
Mit dem Rahmenprogramm „Gesellschaft verstehen - Zukunft gestalten“ wird das Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF) die Forschung zu gesellschaftlicher Innovationsfähigkeit stärken, indem Forschung angestoßen wird, mit der die sozialen, politischen, kulturellen und ökonomischen Grundlagen der ‚Innovationsgesellschaft‘ von morgen ergründet werden.
Dabei wird davon ausgegangen, dass die Innovationsgesellschaft von morgen anders aussehen wird bzw. muss als die von heute. Die Entscheidung, in welche Richtung genau die Transformation gehen soll und welche Wege dabei beschritten werden sollen, ist mit enormen Herausforderungen verbunden. So stellt sich – um nur ein Beispiel herauszugreifen – die Frage, wie mit den Widersprüchen des sich stetig beschleunigenden Innovationsgeschehens umzugehen ist. Es ist heute unbestritten, dass die enormen Innovationsleistungen unserer industrialisierten Gesellschaften entscheidend zu historisch einmaligem Wachstum und Wohlstand geführt haben, aber auch, dass diese Innovationen Anteil am Klimawandel sowie an einer Zunahme sozioökonomischer Ungleichheit haben.
In den vergangenen Jahren haben sich die Gesellschaftswissenschaften stark in die Forschung zu „Sozialen Innovationen“ eingebracht, denen ein großes Potenzial bei der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen zukommt (Ressortkonzept zu Sozialen Innovationen). In Erweiterung dieses Ansatzes, bei dem es um konkrete Innovationsmaßnahmen geht, wird mit der Frage nach der „Gesellschaftlichen Innovationsfähigkeit“ das Innovationssystem selbst und seine Rolle für eine zukunftsfähige gesellschaftliche Entwicklung in den Blick genommen. Selbstredend soll dies in enger Zusammenarbeit mit Stakeholdern aus der Praxis und anhand konkreter Fallbeispiele erfolgen.
Fördermaßnahmen im Themenschwerpunkt „Gesellschaftliche Innovationsfähigkeit stärken“
Im August 2021 wurde die Förderrichtlinie „Regionale Faktoren für Innovation und Wandel erforschen – Gesellschaftliche Innovationsfähigkeit stärken“ veröffentlicht. Die Fördermaßnahme wird in Kooperation mit dem BMBF-Programm „REGION.innovativ“ durchgeführt. Im Fokus der Förderrichtlinie steht die Frage, wie sich komplexe Innovationszusammenhänge auf regionaler Ebene darstellen und wie insbesondere strukturschwache Regionen durch Innovationen Wandel anstoßen und erfolgreich gestalten können. Dabei interessiert u.a., wie der Ansatz der gesellschaftlichen Innovationsfähigkeit für die regionale Praxis operationalisiert werden kann, welche Ausprägungen regionaler Innovationsökosysteme beschreibbar sind und welche institutionellen, soziodemographischen, politischen sowie kulturellen Rahmenbedingungen sich begünstigend oder hemmend auf die gesellschaftliche Innovationsfähigkeit auswirken.
Zur Beantwortung dieser Fragen werden anwendungsorientierte Forschungsvorhaben aus dem Bereich der Sozial-, Geistes- und Wirtschaftswissenschaften gefördert. Zwischen September 2022 und Januar 2023 haben 14 Projekte, darunter sieben Verbundprojekte, die Arbeit aufgenommen.
Forschung zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie
Die Covid-19-Pandemie hat eine Krise verursacht, die in vielen Gesellschaftsbereichen einen einschneidenden Wandel nach sich gezogen hat. Um zu einem besseren Verständnis der Corona-Krise und ihrer langfristigen gesellschaftlichen Auswirkungen beizutragen, fördert das BMBF 18 Forschungsvorhaben.