Von Bochum ins antike Gandhara: DiGA-Projekt digitalisiert und bewahrt buddhistische Skulpturen

Knapp 2.000 buddhistischen Skulpturen aus der antiken Region Gandhara sind bald online zugänglich – dank des Projekts „Digitalisierung Gandharischer Artefakte. Ein Vorhaben zur Bewahrung und Erschließung der buddhistischen Kunst Pakistans“ (DiGA).

Swat river

Swat Fluss

DiGA CERES

Entrance to the Dir Museum, Chakdara, Province of Khyber Pakhtunkhwa

Eingang von Dir Museum, Chakdara, Province of Khyber Pakhtunkhwa

DiGA CERES

Die Kulturschätze, die im Rahmen des BMBF-geförderten DiGA-Projekts digitalisiert werden, stammen aus den ersten Jahrhunderten der Neuzeit und zeugen vom reichen kulturellen und religiösen Erbe dieser Region, die einst als Heiliges Land des Buddhismus galt. Die historische Region Gandhara, im heutigen Nordwest-Pakistan und Ost-Afghanistan gelegen, fungierte als Drehscheibe zwischen Süd- und Zentralasien. Sie wurde zwischen dem 4. Jahrhundert v. Chr. und dem 4. Jahrhundert n. Chr. von Alexander dem Großen erobert und nacheinander von griechischen, indischen, skythischen, parthischen und kuschanischen Königen regiert.

Noch heute sind Kunstschätze aus dieser Zeit erhalten, darunter 1556 buddhistische Skulpturen aus Gandhara. Entdeckt wurden sie um die Wende zum 20. Jahrhundert bei Ausgrabungen in 14 alten buddhistischen Klöstern – bislang waren die meisten unveröffentlicht. Ein großer Teil der Sammlung befindet sich derzeit im Dir Museum (Chakdara) und ein kleinerer Teil im Swat Museum.

Im Rahmen der BMBF-Förderlinie eHeritage wird dieses seltene Kulturgut seit Februar 2021 digitalisiert (in 2D und 3D) und katalogisiert. Das DiGA-Projekt wird an der Ruhr-Universität Bochum am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES) durchgeführt, zusammen mit dem Directorate of Archaeology and Museums of the Province of Khyber Pakhtunkhwa, Pakistan (KPDOAM), der Italian Archaeological Mission in Pakistan (IAMP) und der Universitätsbibliothek Heidelberg. Das DiGA-Projekt läuft noch bis Ende Januar 2024.

Außergewöhnliche buddhistische Sammlung

Prof. Dr. Frederik Elwert

Prof. Dr. Frederik Elwert

Im Gegensatz zu vielen anderen Sammlungen buddhistischer Kunst aus Gandhara ist bei diesen Sammlungen der archäologische Kontext der Objekte dokumentiert. „Ihre Digitalisierung sorgt nicht nur für die Bewahrung dieses bedeutenden kulturellen Erbes, sondern ermöglicht die Neubewertung wichtiger Forschungsfragen zu gandharischer Kunst und zu gandharischem Buddhismus“, betont Jessie Pons. Das neue Skulpturenkorpus wird auf der Heidelberger Objekt- und Multimediadatenbank heidlCON zugänglich gemacht. „Damit wird die weiterführende Analyse buddhistischer Bilder, insbesondere ihrer formalen und ikonographischen Merkmale, ermöglicht, auch der Vergleich mit Korpora buddhistischer Texte ist so möglich“, so Frederik Elwert.

Digitalisierung aus der Ferne

Prof. Dr. Jessie Pons

Prof. Dr. Jessie Pons

Drei Forschungsreisen gen Pakistan waren geplant, um die Objekte zu dokumentieren und digitalisieren. Bei der ersten Digitalisierungskampagne im November 2021 hat das Team fast die Hälfte der Sammlung dokumentiert (siehe Blog). Doch dann kam alles anders. „Im September 2022 mussten wir unsere Exkursion absagen (siehe Blog), und wir haben dann eine von Bochum aus überwachte Digitalisierungskampagne gestartet, um das DiGA-Projekt am Laufen zu halten und den Abschluss der Digitalisierung der Sammlung zu gewährleisten“, sagt Jessie Pons.

Hierbei war hilfreich, dass die Forschenden bereits bei der Konzeption des Projekts unter dem Eindruck der pandemiebedingten Reisebeschränkungen einen Plan B ausgearbeitet hatten: eine Ferndigitalisierungskampagne für qualitativ hochwertige 2D-Bilder der Skulpturen. „Der Schlüssel zur Bewältigung einer solchen Herausforderung war die Verlässlichkeit unserer Partner. Ab Februar 2022 führte ein Team unter der Leitung von Dr. Ali Arshad (Digital Heritage Center) und Dr. Abdul Samad (KPDOAM) mit Unterstützung durch Mehran Ashraf die Digitalisierung von ca. 300 Artefakten durch. Zweieinhalb Monate lang reiste das pakistanische Team jedes Wochenende 135 km von Peshawar, wo es normalerweise ansässig ist, nach Chakdara – eine Fahrt, die mehr als drei Stunden dauert. „In enger Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Dir-Museums holten sie die zu digitalisierenden Artefakte aus dem Lager und arbeiteten nach den DiGA-Richtlinien, die Cristiano Moscatelli, einer der beiden Postdoktoranden im Projekt, vorbereitet hatte, mit einem beweglichen Fotostudio“, erzählt Frederik Elwert. Eine der größten Herausforderungen bei der Ferndigitalisierungskampagne war es, sicherzustellen, dass die neuen Fotos, die in die Datenbank heidICON einfließen werden, in Aussehen und Qualität mit den anderen übereinstimmen. „Das ist nach mehreren Versuchen und etlichen Zoom-Sitzungen auch aus der Ferne gelungen“.

Wissenstranfer zur Bewahrung des Kulturerbes

Statue of a bodhisattva from Chatpat, Dir Museum, Chakdara (DMC 737)

Bodhisattva Statue, Dir Museum, Chakdara (DMC 737)

DiGA/KPDOAM

Der Wissenstransfer ist einer der Schwerpunkte der Zusammenarbeit von DiGA und ihren Partnern. Dieser Bereich wird im Team von Serena Autiero, der zweiten Postdoktorandin, koordiniert. Das DiGA-Team hat gemeinsam mit dem Digital Heritage Center vor Ort im Museum in Peshawar einen Workshop zur Kulturerbe-Fotografie angeboten. Rund zwanzig Teilnehmer*innen erhielten von Călin Şuteu, einem auf die fotografische Dokumentation des Kulturerbes spezialisierten Archäologen und für DiGA mit der 3D-Erfassung betraut, eine theoretische und praktische Einführung. Die Teilnehmenden besprachen dabei die wichtigsten Grundsätze der computergestützten Fotografiemethoden und -techniken für die Dokumentation des kulturellen Erbes, erlernten den Umgang mit einer Digitalkamera, entdeckten die verschiedenen Objektivtypen und ihre Anwendungen (weitere Events).

Als das DiGA-Team im Mai 2023 aus Pakistan zurückkehrte, brachte es – sorgfältig in Koffern verpackt – fünf externe Festplatten mit mehreren Kopien von Fotos der Skulpturen mit. „Nach drei Wochen harter (und unterhaltsamer!) Arbeit ist nun der letzte Stapel von 500 Objekten digitalisiert, fast 70 Skulpturen sind 3D-gescannt und alle Qualitätskontrollkästchen überprüft“, sagt Jessie Pons, „Die letzte Digitalisierungskampagne war ein Erfolg. Und wir haben nun die gesamte Sammlung dokumentiert!“ Die Objekte werden nun von Serena Autiero und Cristiano Moscatelli sorgfältig beschrieben und nach und nach in heidICON eingepflegt. Viele von ihnen sind bereits zugänglich, und eine wöchentliche Vorschau wird auch auf X geteilt.

Karte

Karte von Gandhara und Shah-kot-Talash Zone

DiGA CERES

Teamfoto

DiGA Team: Serena Autiero (postdoc)
Cristiano Moscatelli (postdoc)
Melissa Rogalski (student assistant)
Stepan Musharov (student assistant)
Sarah Rautert (former student assistant)

DiGA CERES


 

Das DIGA-Projekt

Das DiGA-Projekt digitalisiert (2D und 3D) und erschließt einen Korpus von 1.556 buddhistischen Skulpturen aus Gandhara, die derzeit im Dir Museum in Chakdara und im Missionshaus der Missione Archeologica Italiana in Pakistan (IAMP) in Saidu Sharif (Provinz Khyber-Pakhtunkhwa, Pakistan) aufbewahrt werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Sammlungen buddhistischer Kunst aus Gandhara ist hier der archäologische Kontext der Objekte dokumentiert. Die Digitalisierung dieser Objekte garantiert nicht nur den Erhalt dieses bedeutenden kulturellen Erbes, sondern wird auch zu einem soliden Korpus für die Neubewertung entscheidender Forschungsfragen im Bereich der gandharanischen Kunst und des Buddhismus führen.

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