Spitzenforschung: Vier Käte Hamburger Kollegs starten in die 2. Förderphase

Ob in Aachen, Heidelberg, München oder Münster – die vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderten Käte Hamburger Kollegs machen geisteswissenschaftliche Spitzenforschung in aller Welt bekannt. Vier Kollegs starten nach positiver Evaluation in die zweite Förderphase – mit großen Plänen.

Die Käte Hamburger Kollegs sind weltweit einzigartig: Sie sind Vorreiter für neue Ideen, Methoden und Theorien. In den derzeit deutschlandweit sechs Kollegs forschen nationale und internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Kernthemen unserer Gesellschaft – angefangen von Rechts- und Forschungskulturen über Globalisierungsprozesse bis hin zu Apokalyptischen und Postapokalyptische Studien. Und das bis zu zwölf Jahre lang, weitgehend freigestellt von universitären Verpflichtungen, zusammen mit Fellows aus aller Welt, die in die Kollegs eingeladen werden (2019 bis 2025).

Interdisziplinäre Spitzenforschung

Bereits seit 2008 stärkt das BMFTR mit den Käte Hamburger Kollegs die geisteswissenschaftliche Spitzenforschung in Deutschland. Aber nicht nur das. Mit der erneuten Ausschreibung von insgesamt bis zu zehn Käte Hamburger Kollegs (2019) setzt das BMFTR das erfolgreiche Format fort. Erstmals werden neben „klassischen Kollegs“ auch solche gefördert, die über die geisteswissenschaftliche Forschung hinausgehen: In diesen Kollegs werden geisteswissenschaftliche Fragestellungen in Zusammenarbeit mit Lebens-, Natur-, Technik- oder Ingenieurwissenschaften erforscht. Die Laufzeit für jedes Kolleg beträgt vier Jahre mit der Option auf zweimalige Verlängerung, das heißt, bei positiver Evaluation maximal zwölf Jahre.

Positive Evaluation

Die Zielsetzung der BMFTR-Förderung ist im aktuellen Rahmenprogramm für die Geistes- und Sozialwissenschaften (2019 bis 2025) „Gesellschaft verstehen – Zukunft gestalten“ klar umrissen: exzellente Forschung fördern, Internationalisierung voranbringen, den Transfer von Wissen zwischen Forschung, Politik und Gesellschaft verbessern, wissenschaftlichen Nachwuchs fördern und die Strukturbildung anregen. Wie gut diese Ziele erreicht worden sind, zeigte sich bei der Evaluation durch ein Gutachtergremium: Alle vier Kollegs – und das ist keine Selbstverständlichkeit – werden weitergeführt und starten im Frühjahr/Sommer in die zweite Förderphase. Herzlichen Glückwunsch!

Start in die zweite Förderphase

Und wie geht’s weiter? Über welche Ergebnisse der Evaluation haben sich die Kollegs gefreut? Wie hat sich die BMFTR-Förderung bisher strukturell ausgewirkt? Und welche Pläne haben die Kollegs in der zweiten Förderphase? Das erfahren Sie hier aus erster Hand von den Direktorinnen und Direktoren der vier Käte Hamburger Kollegs.

Käte Hamburger Kolleg „Kulturen des Forschens“

Statements des Direktoriums des Käte Hamburger Kollegs „Kulturen des Forschens“: Prof. Dr. Gabriele Gramelsberger, Prof. Dr. Stefan Böschen, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen.

Portraitfotos Prof. Dr. Gabriele Gramelsberger, Prof. Dr. Stefan Böschen

Prof. Dr. Gabriele Gramelsberger, Prof. Dr. Stefan Böschen, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen

links: privat; rechts: Peter Winandy

Über welches Ergebnis der Evaluation haben Sie sich besonders gefreut?

Besonders gefreut hat uns, dass die Evaluatoren und Evaluatorinnen unser Kolleg als ein herausragendes Beispiel für die Leistungsfähigkeit des Förderformats Käte Hamburger Kolleg im Allgemeinen, aber ebenso als Erfolgsmodell der Förderlinie II zur Kooperation von Geistes- und Sozialwissenschaften mit Technik- und Naturwissenschaften im Besonderen sehen, das durch seine große internationale Wirkung und Sichtbarkeit überzeuge.

Wie hat sich die bisherige Förderung strukturell auf Ihr Forschungsfeld/Ihre Heimathochschule/die Etablierung von internationalen Netzwerken ausgewirkt?

Diese Förderung hat die Internationalisierung nicht nur im Feld der geistes- und sozialwissenschaftlichen Wissenschafts- und Technikforschung insbesondere zur Digitalisierung von Forschung sowie einer Expanded STS vorangetrieben. Zum anderen sind wir innerhalb der Hochschule zu einer Anlaufstelle für die Bildung fakultätsübergreifender, internationaler Netzwerke geworden.

Wie möchten Sie diese Prozesse in der 2. Phase weiter vorantreiben?

Wir werden die Erfolge der internationalen Vernetzung stärken und konsolidieren und zugleich die Ergebnisse bündeln. Das tun wir in zwei Handbuchreihen, eine zum Thema „History, Philosophy and Sociology of Computing“ und eine andere zum Thema „Expanded STS“.

Welche Vision verfolgen Sie für Ihr Kolleg?

Neben die Vision eines internationalen Leuchtturms für eine perspektiven-offene Wissenschafts- und Technikforschung tritt die Vision, das Kolleg für die RWTH als strukturwirksames International Center for Advanced Studies im Feld nachhaltigen Engineerings zu entfalten.

Käte-Hamburger Kolleg „Kulturen des Forschens“

Das Käte-Hamburger Kolleg „Kulturen des Forschens“ widmet sich den vielfältigen Forschungskulturen der Wissenschaften, deren Gemeinsamkeiten, Unterschieden und Transformationen. Im interdisziplinären Diskurs steht dabei die Frage im Mittelpunkt, wie sich durch die Orientierung der Wissenschaften auf komplexe Systeme und deren gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawandel, Energiewende, Biologisierung und Nachhaltigkeit Forschung verändert und wie dadurch die epistemische und partizipative Komplexität des Forschens zunimmt.

Direktorium:
Prof. Dr. Gabriele Gramelsberger, Prof. Dr. Stefan Böschen, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen

Käte Hamburger Kolleg „Dis:konnektivität in Globalisierungsprozessen“

Statement des Direktoriums des Käte Hamburger Kolleg „Dis:konnektivität in Globalisierungsprozessen“: Prof. Dr. Roland Wenzlhuemer, Prof. Dr. Christopher Balme, Prof. Dr. Burcu Dogramaci, Ludwig-Maximilians-Universität München

Portraitfotos Prof. Dr. Roland Wenzlhuemer, Prof. Dr. Burcu Dogramaci und Prof. Dr. Christopher Balme (v. li. n. re.)

Das dis:connect-Direktorium: Prof. Dr. Roland Wenzlhuemer, Prof. Dr. Burcu Dogramaci und Prof. Dr. Christopher Balme (v. li. n. re.)

Lambert Strehlke

„Es hat uns sehr gefreut, dass die Evaluationskommission unser Kolleg als jenen anregenden intellektuellen Raum erlebt hat, als den wir es selbst in unserer täglichen Arbeit auch wahrnehmen. Das interdisziplinäre Zusammenspiel der beteiligten Fächer, die Einbindung künstlerischer Forschung und der stete inhaltliche Austausch zwischen den Fellows, all das hat dazu beigetragen, global dis:connect zu einer zentralen Plattform für die Globalisierungsforschung an der LMU aber auch darüber hinaus zu machen. So konnten wir in der ersten Laufzeit unser Thema an der LMU über die üblichen Fächergrenzen hinweg als inhaltlichen Kristallisationskern etablieren, etwa im Rahmen der weitbeachteten Diskussionsreihe „FokusLMU - Fenster zu Wissenschaft“.

Gleichzeitig haben wir ein tragfähiges Netzwerk an internationalen Partnerinstitutionen - von den USA über Südafrika bis Indien - aufgebaut, mit denen wir gemeinsam an inhaltlichen Projekten und strukturellen Programmen arbeiten. Diesen Weg wollen wir in der zweiten Förderphase konsequent weitergehen und unser Partnernetzwerk gezielt ausbauen. Hinsichtlich des Forschungsprogramms werden wir analytisch weiter in die Tiefe gehen und die Tragfähigkeit unseres Zugangs in drei spezifischen Themenfeldern erproben: "kulturelle Infrastrukturen", "Laboratorien der Dis:konnektivität" und "Temporalitäten".“

 Käte-Hamburger Kolleg „Dis:konnektivität in Globalisierungsprozessen“

Das Käte-Hamburger Kolleg „Dis:konnektivität in Globalisierungsprozessen“ untersucht historische und gegenwärtige Globalisierungsprozesse. Unter dem Fokus des Konzepts Dis:konnektivität überdenkt das Kolleg das aktuelle Verständnis von Globalisierung als unaufhaltsame Intensivierung globaler Verdichtung und Vernetzung und betont hingegen das sich wechselseitig bedingende, spannungsreiche Verhältnis von globaler Verflechtung, fehlender Verbindung und Entflechtung.

Direktorium:
Prof. Dr. Roland Wenzlhuemer, Prof. Dr. Christopher Balme, Prof. Dr. Burcu Dogramaci, Ludwig-Maximilians-Universität München

Käte Hamburger Kolleg „Einheit und Vielfalt im Recht“

Wie hat sich die bisherige Förderung strukturell auf Ihr Forschungsfeld, Ihre Heimathochschule, die Etablierung von internationalen Netzwerken ausgewirkt, Frau Professorin Ludwig?

Portraitfoto Prof. Dr. Ulrike Ludwig

Prof. Dr. Ulrike Ludwig, Ko-Direktorin des Käte Hamburger Kollegs „Einheit und Vielfalt im Recht“

Heiner Witte, MünsterView

„Die Würdigung unseres wissenschaftlichen Ansatzes und seines Innovationspotenzials haben mich besonders gefreut. Wir betrachten Rechtspluralismus nicht in erster Linie als ein außereuropäisches, (post-)koloniales oder gar defizitäres Phänomen, sondern verstehen das Spannungsverhältnis von Rechtsvielfalt und -einheit als Strukturmerkmal des Rechts. Das heißt, es lässt sich regionen- und epochenübergreifend beobachten. Wie anschlussfähig das ist, hat sich in den Diskussionen mit unseren Fellows immer wieder bestätigt. In der zweiten Förderphase setzen wir diesen Weg konsequent fort, ergänzen unseren historisch-vergleichenden Zugriff aber durch Perspektiven auf das Recht der Gegenwart.

Das Kolleg ist inzwischen zur festen Adresse einer international breit aufgestellten, interdisziplinären Rechtsforschung geworden. Und an der Universität Münster wird nun langfristig im neu etablierten Emerging field „Addressing Law“ einschlägige Forschung gebündelt und im Verbund gefördert.“

Käte-Hamburger-Kolleg „Einheit und Vielfalt im Recht“

Das Käte-Hamburger-Kolleg „Einheit und Vielfalt im Recht“ an der Universität Münster wird seit 2021 vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) gefördert. Fellows aus aller Welt erforschen hier gemeinsam mit Münsteraner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern das dynamische Spannungsverhältnis zwischen Einheit und Vielfalt im Recht von der Antike bis zur Gegenwart. Damit wird erstmals eine systematische Untersuchung des Phänomens in seiner gesamten historischen Tiefe und über Fächergrenzen hinweg angestrebt. Neben der (Rechts-)Geschichte sind viele weitere Fächer wie Ethnologie und Soziologie, Literatur- und Religionswissenschaften am Kolleg beteiligt. Zugleich geht es dem Kolleg darum, Debatten über Formen des Zusammenlebens anzustoßen und damit die gesellschaftliche Bedeutung der Geisteswissenschaften zu demonstrieren.

Direktorium:
Prof. Dr. Ulrike Ludwig, Prof. Dr. Nora Markard, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Käte Hamburger Kolleg für Apokalyptische und Postapokalyptische Studien 

Portraitfoto Prof. Dr. Robert Folger

Prof. Dr. Robert Folger, Direktor des Käte Hamburger Kollegs für „Apokalyptische und Postapokalyptische Studien“ 

Tobias Schwerdt

Besonders gefreut hat uns die Bestätigung des konzeptionellen Fortschritts sowie die Anerkennung des CAPAS als Kristallisationspunkt im Feld der Apokalyptischen Studien. Die Förderung hat an unserer Universität strukturell Impulse für Initiativen für transdisziplinäre Verbundprojekte zum Thema Zukunft und Transformation gegeben. Über das CAPAS hinaus entstand ein internationales Netzwerk, das nicht nur durch Fellowships, sondern durch Kooperationen mit strategischen Partnern in Großbritannien, Schweden, Mexiko und den Niederlanden (als Brücke nach Asien) gestärkt wurde. In der nächsten Phase fokussieren wir uns auf Forschungsdesiderata, die in der ersten Phase identifiziert wurden, insbesondere auf die theoretisch-methodische Weiterentwicklung des Konzepts der apokalyptischen Erfahrung, das eine differenzierte Auseinandersetzung mit postapokalyptischen Narrativen ermöglicht. Unsere Vision ist es, das CAPAS dauerhaft als Impulsgeber für transformative Geisteswissenschaften zu etablieren, die über transdisziplinäre Zusammenarbeit differenzierte Antworten auf existentielle Gegenwarts- und Zukunftsfragen bieten.

Käte Hamburger Kolleg für „Apokalyptische und Postapokalyptische Studien“

Das Käte Hamburger Kolleg für „Apokalyptische und Postapokalyptische Studien“ untersucht Systemwandel und -Zusammenbrüche in Gesellschaften, Individuen und Umwelten der Vergangenheit und Gegenwart sowie Zukunftsentwürfe für die Zeit nach Kollapsen. Das transdisziplinär arbeitende Kolleg führt die Apokalypse als Denkfigur und Diskurstradition in den Geisteswissenschaften mit sozial- und naturwissenschaftlichen Ansätzen zusammen, die empirisch beobachtbare Veränderungen von sozialen und/oder natürlichen Systemen in den Blick nehmen. Das Kolleg leistet somit einen Beitrag zu aktuellen Debatten um gesellschaftliche und ökologische Zusammenbrüche und Zukunftsentwürfe. Zur Kolleg-Website

Direktor:
Prof. Dr. Robert Folger, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg