Die historische Aufarbeitung von dem Umgang mit Behinderung in der Gesellschaft, das Erinnern und Gedenken hat vor dem Hintergrund des Erstarkens von Autokratien weltweit dringendste Aktualität erlangt. Das war auch das Ziel der Tagung über den Umgang mit Behinderung nach 1945 in der Gedenkstätte Andreasstraße in Erfurt. Hierfür sollte der aktuelle Forschungsstand zur Thematik dargestellt und der Wissenstransfer in die Gesellschaft unter Beteiligung von Menschen mit Behinderung diskutiert werden. Der interdisziplinäre Austausch wollte daneben vor allem eines: Sichtbarkeit erzeugen und mit gutem Beispiel voranschreiten. Der Veranstaltungsort war ein barrierearmes Bauwerk, Vorträge und Fragen wurden durch Schriftdolmetscher live in Untertitel umgewandelt und jeder Redebeitrag begann mit einer visuellen Beschreibung der Person zur Einordnung für Menschen mit Sehbehinderung.
Das Ziel des interdisziplinären Austauschs durch die Art der barrierearmen Gestaltung ein leitgebendes Vorbild zu sein ist erreicht. Mehr Sichtbarkeit könnte noch durch die Vorstellung weiterer Projekte auf Augenhöhe außerhalb des wissenschaftlichen Kontexts gelingen, welche die Ergebnisse, Thesen und Ideen der anderen in ihre Community tragen. Auch der Dialog mit Rechtshistorikern kann einen aufklärenden Blick in die juristische Vergangenheit geben und bei der Gestaltung der zukünftigen Rechtslage helfen. Denn noch ist ein barrierearmes Zusammenleben eine Utopie, die vorgestellten Projekte in Erfurt leisten alle Pionierarbeit. Es gibt noch viel zu tun und dabei ist die historische Aufarbeitung ein essenzieller Anfang.