Potsdamer Preis für Wissenschaftskommunikation geht an Dr. Anna Luise Kiss

Anna Luise Kiss erforscht am Beispiel von Potsdam wie die Beziehungen zwischen Filmproduktionsorten, Marketinginstitutionen, Artefakten oder etwa filmischen Straßennamen das Image der Stadt als „Filmstadt“ hervorbringen. Im Juni wurde sie für ihr BürgerInnen-Forschungsprojekt mit den WISPoP - Potsdamer Preis für Wissenschaftskommunikation ausgezeichnet, in der Kategorie „Sonderpreis Corona“.

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Frau Dr. Kiss, bei Ihrem filmwissenschaftlichen Bürgerforschungsprojekt „Das filmische Gesicht der Stadt Potsdam“ haben Sie Potsdamer Bürgerinnen und Bürger dazu eingeladen, sich mit Ihnen zusammen auf die Suche nach filmischen Artefakten zu machen. Wie kam es dazu und was haben Sie damit bewirkt?

Dr. Anna Luise Kiss

Dr. Anna Luise Kiss

Dieter Chill

BürgerInnen sind die eigentlichen ExpertInnen ihrer Stadt und kommen viel besser als ich allein filmischen Artefakten auf die Spur. Auch zur Frage, wie sich der urbane Raum der Filmstadt Potsdam weiterentwickeln könnte, haben BürgerInnen Wesentliches beizutragen. Aus diesen und weiteren Gründen habe ich das BürgerInnen-Forschungsprojekt initiiert.

Das Projekt hat viel bewirkt: BürgerInnen haben einige filmische Artefakte gemeldet, die ich allein in der Feldforschung vermutlich nicht gefunden hätte. Auch in der Auswertung haben die Überlegungen der BürgerInnen das Projekt bereichert.

Eine besonders positive Wirkung sehe ich aber vor allem darin, dass ein Nachfolgeprojekt entstanden ist: Ein bürgerschaftlicher Arbeitskreis in Potsdam hat nun sein eigenes filmbezogenes Forschungsprojekt zu Filmmenschen aus Groß Glienicke gestartet. BürgerInnen-Forschung hat Interesse an lokaler Filmgeschichte unter den BürgerInnen geweckt und zu eigener Forschungstätigkeit angeregt.

Mit Ihrem BMBF-Projekt „Das filmische Gesicht der Städte“ (2019-2021) untersuchen Sie die Imagebildung von sogenannten „Filmstädten“ als diskursiven Prozess. Was sind aus Ihrer Sicht bisher die wichtigsten Ergebnisse?

Bisher haben sich zwei zentrale Thesen bestätigt. Erstens: Filmstädte zeichnen sich u. a. durch Netzwerke filmbezogener Artefakte im urbanen Raum aus, die von sehr vielfältigen AkteurInnen hervorgebracht werden. Dabei handelt es sich vor allem um ehemals filmbegleitende Materialien, die ihrem ursprünglich werblichen Kontext entzogen sind und nunmehr zur Konstitution eines filmisch-affizierten Stadtraumes beitragen. Ein weiteres Netzwerk bilden Straßen, die nach Filmmenschen benannt sind und spezifische Personen als erinnerungswürdig im Alltag der BewohnerInnen markieren. Diese Netzwerke stehen wiederum in Beziehung zu Filmproduktionsstandorten, der Baugeschichte der Stadt oder etwa zu Traditionslinien filmwissenschaftlicher Forschung.

Zweitens: Weibliche Filmarbeit – zumindest was mein Fallbeispiel Potsdam betrifft – wird strukturell marginalisiert. Weibliche Persona aus dem Kontext Film kommen, wenn wir auf Straßenbenennungen blicken, quantitativ seltener vor als männliche und werden auf den Beruf der Schauspielerin reduziert. Hier sehe ich eine bleibende Nachwirkung der sogenannten „klassischen“ Filmgeschichtsschreibung, in der vor allem die Geschichten von Filmpionieren und genialen Regisseuren erzählt wurde. Die Filmwissenschaft, wie sie sich in Folge der „New Film History“ entwickelt hat, ist gewissermaßen noch nicht in der Benennungspraxis angekommen.

Und noch eine persönliche Frage: Ihr Projekt wurde vom BMBF im Rahmen der Förderlinie „Kleine Fächer – Große Potenziale“ gefördert. Wie hat sich die Förderung auf Ihre Karriere ausgewirkt?

Das Projekt hat mir die Möglichkeit eingeräumt, mein methodisches Wissen deutlich auszubauen. Insbesondere im Bereich der partizipativen Forschung und Wissenschaftskommunikation habe ich meine Expertise deutlich erweitert. Einladungen zu Projektvorstellungen an internationale Universitäten sowie mein Podcast-Projekt „Film Studies bling-bling“, haben dazu beigetragen, mein wissenschaftliches Netzwerk auszudehnen. Insgesamt konnte ich meine Sicht- und Hörbarkeit als Wissenschaftlerin ausbauen sowie weitere Leitungserfahrung sammeln. Das sind alles Aspekte, die für meine baldige Arbeit als Rektorin der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch relevant sein werden. Im Oktober dieses Jahres werde ich die neue Stelle antreten.

Kommentare (1)
  • Dr. Julia Dittmann
    06.15.2021 - 09:44
    Ein wunderbares Projekt, das neben der Wertschätzung cinephiler Artefakte und bürger*innenwissenschaftlichen Wissens einen spannenden gender- und race-sensiblen Blick auf gesellschaftliche Gedenkdynamiken wirft.

    Vielen Dank, Dr. Kiss, für diese besondere Kombination unterschiedlichster Forschungsperspektiven!

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