Islamismus-Forschung: News aus dem RADIS-Netzwerk

Unter dem Dach von RADIS haben 12 Projekte interdisziplinär rund um Ursachen und Wirkungen von Islamismus in Deutschland und Europa geforscht, gefördert vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt. Über Publikationen und weitere Planungen sprachen wir mit Sina Tultschinetski, Projektkoordinatorin des Transferprojekts RADIS.

Foto von Sina Tultschinetski

Sina Tultschinetski ist Projektkoordinatorin des BMFTR-Transferprojekts RADIS

PRIF

Unlängst ist Ihr Sammelband „Islamismus als gesellschaftliche Herausforderung: Ursachen, Wirkungen, Handlungsoptionen“ im Springer-Verlag erschienen. Mit Ihrer Publikation bündeln Sie die Ergebnisse des RADIS-Forschungsnetzwerks aus vier Jahren Forschung. Wie fühlt sich das an?

Wir sind sehr froh, den Sammelband endlich in den Händen halten zu können. In den Band sind mehrere Jahre intensiver Forschung und auch viel Herzblut geflossen, und es ist großartig, die Ergebnisse dieser wertvollen Arbeit nun schwarz auf weiß zu sehen. Parallel zur Fertigstellung des Bandes haben wir außerdem eine Kurzfassung veröffentlicht, die auf unserer Webseite frei zum Download verfügbar ist, um die Erkenntnisse nicht nur für akademische Kreise, sondern auch für Politik und Zivilgesellschaft zugänglicher zu machen.

Inwieweit sind die Themen Ihres Sammelbands, also Analysen zu Islamismus in Europa und Deutschland, praxisnahe Ansätze und Fallstudien zur Radikalisierungsprävention, auf andere Länder Europas übertragbar?

Die meisten Studien im Band betrachten den deutschen Kontext und die doch sehr speziellen politischen, historischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland. Es gibt aber auch Projekte, die explizit international vergleichend gearbeitet haben, teils auch über den europäischen Raum hinaus. Und einige der Analysen in Deutschland und die daraus abgeleiteten Handlungsoptionen lassen sich sicherlich auf andere europäische Länder übertragen – jedoch immer unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen und regionalen Unterschiede und Besonderheiten.

Zu vielen Ansätzen der Radikalisierungsprävention kann man sagen, dass sie in ihren Grundannahmen auch auf andere Länder übertragbar sind, da sie auf universellen Prinzipien wie der Förderung von Integration, sozialer Teilhabe und der Bildung von Widerstandskraft gegenüber extremistischen Ideologien beruhen. Der Erfolg solcher Programme hängt jedoch oft von der lokalen Umsetzung und den spezifischen Gegebenheiten ab.

Wie sorgen Sie dafür, dass Ihre Themen/Publikation im europäischen Raum Gehör finden?

Auf der englischen Version unserer Webseite finden sich diverse englischsprachige Publikationen der Projekte des Forschungsnetzwerks. Außerdem veranstalten wir internationale Workshops, um die Erkenntnisse des Netzwerks in den europäischen Raum und darüber hinaus zu tragen.

Aktuell arbeiten wir auch an der englischen Fassung des Sammelbandes und der Kurzfassung. Die Kurzfassung übersetzen wir nicht nur ins Englische, sondern auch ins Französische, Türkische und Arabische. So erreichen wir hoffentlich noch mehr Interessierte in Politik und Zivilgesellschaft – innerhalb wie außerhalb Deutschlands.

RADIS hat über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zwölf vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt geförderten Projekten vernetzt. Sind noch weitere Workshops, Webtalks, Podcasts oder anderweitige Events zur Vernetzung geplant?

Da sich unser Projekt auf das Ende seiner Laufzeit zu bewegt, haben wir im letzten Jahr vor allem viele Abschlussveranstaltungen der verschiedenen Forschungsprojekte begleitet. Auf unserer Transfertagung im April 2025 konnten wir übergreifende Erkenntnisse und Perspektiven des Forschungsnetzwerks gemeinsam mit Politikerinnen und Politikern sowie Netzwerkpartnern aus Wissenschaft und Praxis diskutieren. Im Juni hatten wir mit unserem Infostand auf dem Deutschen Präventionstag die Gelegenheit, noch mehr mit der Präventionsfachpraxis ins Gespräch kommen.

Zurzeit läuft unsere dritte Webtalkreihe zum Thema „Getroffene Orte – Lokale Strategien im Umgang mit islamistischer und rassistischer Gewalt“, die wir in Kooperation mit der Bundeszentrale für Politische Bildung und ufuq.de organisieren. Die Webtalkreihe hat am 11. November begonnen und wird bis März 2026 laufen. Sie thematisiert, wie Städte und Zivilgesellschaft mit den Folgen islamistischer und rassistischer Anschläge umgehen und welche lokalen Strategien für Solidarität, Erinnerung und Prävention entstehen.

Wir planen noch einige virtuelle Workshops, um den Sammelband und die darin gebündelten Erkenntnisse mit verschiedenen Zielgruppen zu diskutieren – z. B. mit der Wissenschaftscommunity in Deutschland, aber auch international, und mit internationalen Fachpraktikerinnen und Fachpraktikern. Und: Gerade wird hinter den Kulissen intensiv an einem Kurzfilm gearbeitet, der die wesentlichen Themen der Förderlinie zusammenbringt. Er wird zum Ende der Projektlaufzeit fertiggestellt sein und bei einem kleinen Film Screening Event präsentiert werden. Darauf freue ich mich besonders.

Herzlichen Dank für die Einblicke, liebe Frau Tultschinetski, und weiterhin viel Erfolg!

(Das Interview erfolgte schriftlich am 7. November 2025; Fragen: Katrin Schlotter)

Das Transfervorhalben RADIS

Das Transfervorhaben RADIS, das vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt gefördert wird, vernetzt intern und extern zwölf Forschungsprojekte der BMFTR-Förderlinie „Gesellschaftliche Ursachen und Wirkungen des radikalen Islam in Deutschland und Europa“ und unterstützt die Forschungsprojekte bei der Identifizierung übergreifender Fragen, Herausforderungen und Thesen, die die großen Themen der gesamten Förderlinie abbilden. RADIS vernetzt die Projekte untereinander und unterstützt den Transfer der Forschungsergebnisse in Politik, Verwaltung, Sicherheitsbehörden, Medien und Fachpraxis.

Laufzeit: 11/2020 - 04/2026

BMFTR-Förderung zu Islamismusforschung geht weiter

Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt stellt weitere 15 Millionen Euro für die Islamismusforschung zur Verfügung (BMFTR-Richtlinie zur Förderung von Forschungsprojekten zum Thema „Islamismus: Auswirkungen, Gegenstrategien und Präventionsmaßnahmen). Das Auswahlverfahren der Projekte für die zweite Förderphase ab 2026 läuft noch. Ziel der Förderung ist es u. a. neue Phänomen wie die Online-Radikalisierung und die Auswirkung von Fluchterfahrungen auf Radikalisierungsprozesse zu erforschen. Das Wissen aus der Forschung soll langfristig zur Verbesserung der Präventions-, Distanzierungs- und Deradikalisierungsarbeit beitragen.

Lese-Tipp

Unlängst im Springer-Verlag erschienen: der Sammelband „Islamismus als gesellschaftliche Herausforderung: Ursachen, Wirkungen, Handlungsoptionen“, herausgegeben von Shaimaa Abdellah, Sina Tultschinetski, Julian Junk und Manuela Freiheit. Der Sammelband bündelt die Ergebnisse des RADIS-Forschungsnetzwerks, in dem über vier Jahre hinweg interdisziplinär und unter Einbeziehung fachpraktischer Expertise zu Fragen rund um Ursachen und Wirkungen von Islamismus in Deutschland und Europa geforscht wurde. Die zwölf Kapitel bündeln die Ergebnisse eines Netzwerks von über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus zwölf Projekten, die über vier Jahre zu Radikalisierung, gesellschaftlicher Polarisierung und Handlungsstrategien in Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Sicherheitsbehörden forschten. Die Forschungsvorhaben wurden im Rahmen der Förderlinie „Gesellschaftliche Ursachen und Wirkungen des radikalen Islam in Deutschland und Europa“ vom BMFTR im Zeitraum von 2020 bis 2025 gefördert. Hier geht’s zur Kurzfassung des Sammelbands