Interview mit Prof. Dr. Volkhard Krech, Direktor des Käte Hamburger Kollegs „Dynamiken der Religionsgeschichte zwischen Asien und Europa"

Es ist das größte geisteswissenschaftliche Verbundprojekt der Ruhr-Universität Bochum: das Käte Hamburger Kolleg (KHK) „Dynamiken der Religionsgeschichte zwischen Asien und Europa“. Prof. Dr. Volkhard Krech hat es seit 2008 interdisziplinär sowie international aufgestellt und zum Erfolg geführt. Anlässlich der Abschlusstagung des Kollegs im März 2020 blicken wir zurück, aber auch nach vorne.

Prof. Dr. Volkhard Krech

Prof. Dr. Volkhard Krech, Gründungsdirektor des Bochumer Käte Hamburger Kollegs „Dynamiken der Religionsgeschichte zwischen Asien und Europa“

CERES, RUB

Was hat die Forschung in 12 Jahren erreicht?

Zwölf Jahre hören sich lang an. Aber dieser Zeitraum ist relativ, denn wir sprechen von über 150 Projekten, die mehr als 12.000 Jahre Religionsgeschichte umfassen, vom den Tempelanlagen in Göbekli Tepe bis zur heutigen Gebets-App. Alle als „Weltreligionen“ etikettierten religiösen Traditionen entwickelten sich auf dem eurasischen Doppelkontinent – und zwar im stetigen Kontakt miteinander. Religionskontakte zeigen sich z. B. in der Übernahme von Ritualen aus anderen Traditionen genauso wie in der polemischen Abgrenzung oder in gewaltsamen Konflikten. Deshalb ist unser Fokus auf den Religionskontakt so zentral. Ein Beispiel: Der Buddhismus entstand in Abgrenzung zum Brahmanismus (oft auch Hinduismus genannt). Die buddhistische Bildsprache wurde vom Jainismus, aber auch von griechisch-baktrischen Bildhauern im Gefolge Alexander des Großen, beeinflusst. Der von uns mitentwickelte, kontaktbasierte Ansatz kann in der Religionswissenschaft mittlerweile als etabliert gelten. Ohne Religionskontakt ist Religionsgeschichte kaum denkbar.

Kontakt zwischen Religionen ist der Motor der Religionsgeschichte

Prof. Dr. Volkhard Krech

Was macht so ein Format wie das der Käte Hamburger Kollegs möglich?

Um einen neuen Ansatz zu etablieren, braucht es Freiraum für die intensive Beschäftigung und den ständigen Austausch mit möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen weltweit. Genau dies leistet das Käte-Hamburger-Format. Doch gehen die Effekte des Kollegs deutlich weiter. Ohne das Kolleg hätten wir an der Ruhr-Universität nicht fünf Professuren für unterschiedliche Schwerpunkte der Religionsgeschichte schaffen können. Das hat Auswirkung auf die Lehre: Studierende in Bochum können sich jetzt mit der euro-asiatischen Religionsgeschichte in ihrer enormen Bandbreite und den am Kolleg erarbeiteten theoretischen Grundlagen beschäftigen. Zudem werden neue Forschungsideen entwickelt. Zwei vom European Research Council finanzierte Consolidator Grants sind unmittelbar aus der zentralen Idee des Bochumer Kollegs entstanden. Deren Leiterinnen forschen jetzt bei uns mit ihren eigenen internationalen Teams.

Nicht zuletzt ist ein internationales Netzwerk aus den über 150 ehemaligen Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern und den vielen Kolleginnen und Kollegen, die an einer der über 200 Konferenzen des Kollegs teilgenommen haben, entstanden. Daraus erwuchsen Kooperationen mit Forschungsinstitutionen in China, Iran, den Vereinigten Staaten und anderen Ländern.

Wie lebt das Kolleg weiter?

Das Kolleg mag zwar seine aktive Arbeit einstellen, doch die ausgearbeiteten Ideen, theoretischen Grundlagen, Typologien und Ergebnisse bleiben. Für Fallstudien zu religiösen Kontaktphänomenen haben wir das Online-Journal Entangled Religions aufgebaut. Es wird aktuell über die Grenzen eines klassischen Journals hinaus zu einem Wissensspeicher erweitert. Wer das Papier vermisst: Einige unserer Forschungsergebnisse werden in der vom Kolleg initiierten Buchreihe "Dynamics in the History of Religions" (Brill) herausgegeben.

Wir präsentieren unsere Ergebnisse auch der interessierten Öffentlichkeit. In den kommenden zwei Jahren organisieren wir u. a. eine Ausstellung zum Thema Religionskontakt. Sie soll religionsgeschichtliche Objekte aus bestehenden missionsgeschichtlichen Sammlungen in Beziehung setzen und vielfältige Religionskontakte zeigen. Ob Krippen im südindischen Stil oder christliche Missionare, die als konfuzianistische Gelehrte aus China zurückkamen – die Religionsgeschichte ist reich an Beispielen, die es sich zu zeigen lohnt.

Weiterführende Informationen:

Käte Hamburger Kolleg „Dynamiken der Religionsgeschichte zwischen Asien und Europa“:

Das Bochumer Käte Hamburger Kolleg widmet sich den Dynamiken der historischen Entstehung und Verbreitung religiöser Traditionen. Dabei steht die wechselseitige Durchdringung von Religionen und deren Verdichtungen zu komplexen Gebilden, den sogenannten Weltreligionen, besonders im Fokus. Der regionale Fokus liegt dabei auf dem euro-asiatischen Doppelkontinent. Erklärtes Ziel der Kollegarbeit ist es, sowohl eine Typologie von Religionskontakten als auch eine übergreifende Theorie des Religionstransfers zu erarbeiten und für die Forschung anwendbar zu machen. Weitere Informationen dazu

In aller Kürze: Die Käte Hamburger Kollegs (KHK)

Mit den Käte Hamburger Kollegs eröffnet das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit 2008 herausragenden Forscherpersönlichkeiten Freiräume für geisteswissenschaftliche Forschung auf Weltniveau. Insgesamt zehn Kollegs an deutschen Universitäten bieten Forschenden die Möglichkeit, bis zu zwölf Jahre lang frei von vielen Verpflichtungen des Wissenschaftsalltags zu selbst gewählten Themen gemeinsam mit herausragenden nationalen und internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu forschen. Weitere Informationen zur aktuellen Förderlinie und geförderten KHKs