Die Welt im Blick: Merian Centres

Ob in Indien, Mexiko, Brasilien, Ghana oder Tunesien – die BMBF-geförderten „Maria Sibylla Merian Centres for Advanced Studies“ ermöglichen eine gänzlich neue Form der inter- und transnationalen Kooperation und Forschung in den Sozial- und Geisteswissenschaften und öffnen vielfältige Perspektiven für die deutsche Wissenschaft.

Weltkarte

Schon auf den ersten Blick sind sie etwas Besonderes: Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Deutschland und aus einer Partnerregion haben die Merian Centres in ausgewählten wissenschaftlich und wissenschaftspolitisch wichtigen Partnerländern in Asien, Lateinamerika, Subsahara-Afrika und Nordafrika zusammen aufgebaut und leiten sie auch gemeinsam. Mit einer Laufzeit von bis zu zwölf Jahren legen die Forschungszentren den Grundstein für eine längerfristige enge Zusammenarbeit. In den fünf Merian Centres, eng mit in einer Universität oder Forschungsinstituten eines Partnerlandes verbunden sind, forschen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Deutschland, dem Partnerland, weiteren Ländern der Region sowie Drittländern interdisziplinär zu selbstgewählten Themen. Beispielsweise: Wie reagieren Menschen in Lateinamerika auf die Folgen des Klimawandels und was können wir davon lernen? Wie leben Menschen in Gesellschaften zusammen, die von Diversität und sozialer Ungleichheit gekennzeichnet sind? Und aktuell: Welche Auswirkungen haben die Corona-Pandemie und Eindämmungsmaßnahmen auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen? Diese und weitere Forschungsfragen stellen sich die Top-Experten und Expertinnen in den Forschungszentren. Damit eröffnen die Merian Centres neue Perspektiven, die maßgeblich dazu beitragen, gesellschaftliche Entwicklungen zu verstehen und Lösungsansätze für gesellschaftliche Herausforderungen im Dialog zu entwickeln.

So stellt sich diese gänzlich neue Form der inter- und transnationalen Kooperation aus Sicht der beteiligten deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dar: Neue Horizonte - jenseits von Nord und Süd.

Mit den Maria Sibylla Merian Centres for Advanced Studies gehen wir in der Forschungszusammenarbeit mit dem Globalen Süden, den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern, einen neuen Weg: Gemeinsam mit Forschenden aus der Partnerregionen suchen Geistes- und Sozialwissenschaftler aus Deutschland in den Merian Centres in Indien, Mexiko, Brasilien, Ghana und Tunesien Antworten auf hochaktuelle Fragen: Wie gehen die Menschen vor Ort mit Krisen um? Was bedeutet Nachhaltigkeit in Afrika? Welche Ideen von Zukunft haben Menschen in der arabischen Welt? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bauen in den Forschungskollegs gemeinsam verlässliche Netzwerke auf, die auch die Geistes- und Sozialwissenschaften in unserer deutschen Hochschullandschaft nachhaltig bereichern und verändern.

Anja Karliczek

Ein eurozentristischer Blick auf den „Rest der Welt“ ist von gestern, das gilt insbesondere für die regionalwissenschaftliche Forschung. Eines der herausragenden Merkmale der Merian Centres ist dabei, den engen Fokus auf westliche Gesellschaften und Kulturen zu hinterfragen und zu überwinden. Die Merian Centres sind auf eine gleichberechtige, partnerschaftliche und nachhaltige Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachleuten aus unterschiedlichen Weltregionen, Disziplinen und Karrierestadien angelegt.

Durch die enge Kooperation mit den Partnern im Ausland erweitern sie auch den Horizont der deutschen Geistes- und Sozialwissenschaften, nicht zuletzt auf der Ebene der Theoriebildung, die noch immer von westlichen Grundannahmen geprägt ist. So tragen die Merian Centres dazu bei, einseitige Ansätze zu überwinden und auch nicht-westliche Kontexte in die Theoriebildung mit einzubeziehen. Denn an den Zentren tauschen sich die Fachleute auch über andere oder neue Perspektiven und Erfahrungshorizonte aus. Mit diesem Ansatz sind die Merian Centres Referenzpunkte für eine qualitativ neue Strategie der Internationalisierung der deutschen Wissenschaft.

Gerade weil die Merian Centres im sog. „globalen Süden“ liegen und auf Dialog ausgerichtet sind, bringen sie interkulturelle Erkenntnisse ein und setzen neue Impulse. Indem sie auch Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus Deutschland einladen und ihre Erkenntnisse nicht nur international, sondern insbesondere in Deutschland verbreiten, nehmen sie Einfluss auf die geistes- und sozialwissenschaftliche Landschaft in Deutschland. Damit tragen sie der Notwendigkeit eines globalen Wissens Rechnung. Sie tragen auch zur Öffnung so mancher Forschungsbereiche in den deutschen Sozial- und Geisteswissenschaften bei, die bisher ihren Blick eher auf den „globalen Norden“ gerichtet hatten, indem sie Perspektiven weiterer Weltregionen und deren Hintergründe in den Vordergrund stellen. Die Merian Centres bergen somit die Chance, eine führende Rolle in der Neuorientierung und Horizonterweiterung zu übernehmen – ohne dabei den Ton angeben zu wollen. Im Zuge eines gleichberechtigten Austauschs zwischen „Süd“ und „Nord“ werden Deutschland, Europa bzw. der „globale Norden“ in den Geistes- und Sozialwissenschaften zwangsläufig nicht mehr der „Nabel der Welt“ sein, sondern vielmehr Teil eines internationalen Wissensnetzwerkes.

Auf zu neuen Ufern: Area Studies und Spitzenforschung

Die Merian Centres sind als „Institutes for Advanced Studies“ (IAS) organisiert. Sie sind auf akademische Exzellenz, Internationalisierung und Interdisziplinarität ausgerichtet. International herausragende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die großteils über kompetitive offene Ausschreibungen gewonnen werden, bilden das innovative Kernstück der Arbeit der Merian Centres.

Das führt zu einer engen und nachhaltigen Vernetzung von Regionalwissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen an deutschen Institutionen und führenden Geistes- und Sozialwissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen in den Ländern, in denen die Zentren angesiedelt sind. Merian Centres ermöglichen, dass aus einem „Forschen über“ andere Regionen ein „Forschen mit Menschen aus Afrika, Asien und Lateinamerika“ wird. Schon jetzt hat sich bei der Arbeit der Zentren gezeigt, dass der Austausch mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen vor Ort in den Partnerregionen durch die intensive Konfrontation mit dem dazugehörigen Erfahrungsraum, Denktraditionen und Gesamtkontext die Perspektive auf die Welt zu ändern beginnt. Wenn z.B. der Begriff nachhaltiger Steuerung („sustainable governance“) abhängig davon variiert, was Menschen in unterschiedlichen regionalen Gemeinschaften darunter verstehen, was bedeutet er dann im Licht afrikanischer, asiatischer oder lateinamerikanischer Kontexte?

Neue Austausch- und Karrieremöglichkeiten

Neuorientierungen und Horizonterweiterungen gehen nicht von jetzt auf gleich, sondern brauchen einen langen Atem. Bereits jetzt haben die Merian Centres starke Impulse für die deutschen Sozial- und Geisteswissenschaften gesetzt und wirken strukturbildend durch neue Austausch- und Karrieremöglichkeiten für Nachwuchs- und erfahrene Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auch in Deutschland. So wurden z.B. an deutschen Universitäten flankierende Fellow-Programme eingerichtet, Professuren mit regionalwissenschaftlichem Schwerpunkt verstetigt sowie Tenure Tracks und wissenschaftliche Mitarbeiterstellen eingerichtet. Zahlreiche Publikationen und dialogische Veranstaltungen – teilweise mit Bürgerbeteiligung – zeigen, dass die Merian Centres den Austausch von Wissen und seinen Transfer in Politik und Gesellschaft fördern. Auch in schwierigen Zeiten bleibt die strukturelle Wirkung der Merian Centres erhalten, weil sich die wissenschaftlichen Netzwerke als krisentauglich erweisen.

Weiterführende Informationen: Maria Sibylla Merian Centres auf bmbf.de

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