Interview mit Frau Dr. Ulrike Beck, Mode-Designerin und Nachwuchswissenschaftlerin an der Universität der Künste Berlin

Kleidung gibt nicht nur Aufschluss über Status und Zugehörigkeit des Trägers, sondern auch über das technische Wissen, die Verfügbarkeit von Ressourcen, ja sogar über die Innovationsfähigkeit von Gesellschaften. Wie sich der Blick in die Vergangenheit auch auf die eigene Zukunft auswirken kann, darüber sprachen wir mit Dr. Ulrike Beck.

Portrait Dr. Ulrike Beck

Patrick Wildner

Im November haben Sie ein neues, spannendes BMBF-Projekt begonnen. Worum geht es bei „InnoTexGes“, Innovationsforschung zur Kleidung und ihrer komplexen Vernetzung in der Gesellschaft?


Kleidung kann ein Auslöser für maßgebliche gesellschaftliche Veränderungen sein. In meinem Projekt erforsche ich innovative Ideen, Technologien und Konzepte, die wir entwickeln, um uns zu kleiden und uns neuen Herausforderungen zu stellen. Dafür wende ich meine neu entwickelte Methodik auf Primärquellen an und untersuche in interdisziplinärer Zusammenarbeit Kleiderfunde dreier vergleichbarer kultureller Kontexte.


Was ist das Besondere an Ihrer Methodik?


Meine Methodik verbindet Techniken aus der  forensischen Arbeit mit denen des Reverse-Engineering, d.h. die Kleider werden wissenschaftlich exakt vollständig rekonstruiert und am bewegten Körper einem Tragetest unterzogen. So können wir erkennen, mit welchen Strategien Kleidung produziert wird und was ihr Design bewirken kann, wie zum Beispiel die Erfindung der Hosenkonstruktion, die im Zusammenhang mit einer neuen Form von Mobilität steht


Sie sprechen von der ältesten Hose der Welt aus dem 1. Jahrtausend vor Christus aus Xinjiang (China)?


Ja, als Teil des internationalen Forscherteams des „Silk Road Fashion“-Projektes habe ich an der Erforschung der ältesten bekannten Hose der Welt mitgewirkt. In meiner Dissertation konnte ich zudem mit meiner Methodik die Idee des Zuschnittes bereits im 1. Jt. v. Chr. in Xinjiang nachweisen: Eine technologische Innovation, die noch heute absolute Grundlage der modernen Kleiderproduktion ist. Bereits damals wurden herausragende Strategien zur effektiven Nutzung von Ressourcen entwickelt. Heute stehen wir in der Verantwortung für Nachhaltigkeit. Wenn wir vergangene technologische Innovationen und deren langfristige gesellschaftliche Auswirkungen verstehen, können wir auch die Zukunft klug gestalten.


Wie hat Sie die BMBF-Förderung bei Ihrer Karriere unterstützt?


Erst die BMBF-Förderung ermöglicht mir diese fantastische interdisziplinäre Forschungsarbeit: Die Rekonstruktion verborgener technologischer und kultureller Informationen aus den Kleiderfunden verschiedener Kontexte und Zeiten. Sie gibt mir die faszinierende Möglichkeit, zwei völlig unterschiedliche Welten neuartig miteinander zu verbinden. Mein Forschungsprojekt wäre ohne diese BMBF-Förderung schlichtweg nicht möglich.


Welchen Rat möchten Sie jungen Forschenden mit auf den Weg geben?


Entwickeln Sie neue Ideen und glauben Sie daran! Wichtig ist, die Augen offen zu halten, sich zu informieren und so schnell wie möglich Forschungsanträge zu stellen. Denn: Allein die Arbeit an einem Forschungsantrag und die Auseinandersetzung mit dem Thema schärft den eigenen wissenschaftlichen Blick und bringt neue Ideen hervor.