Digitale Pioniere: Proyecto Humboldt Digital

Anfang des 19. Jahrhunderts unternahm der deutsche Forscher Alexander von Humboldt seine Reise in die Neue Welt, die ihn auch nach Kuba führte. Dort hinterließ er viele Spuren, darunter handschriftliche Dokumente, die unerforscht in Archiven lagern. Diesen bisher ungehobenen Schatz digitalisiert und erschließt das Forscherteam des Proyecto Humboldt Digital (ProHD).

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„Alles was zur Bewegung anregt, […] führt zur Erweiterung des Ideenkreises, zur Auffindung neuer Wege für die Macht der Intelligenz“, schreibt Humboldt seinem Reisebericht durch die amerikanischen Tropen (1799–1804). Auf den Spuren Alexander von Humboldts geht auch das Proyecto Humboldt Digital neue Wege, nicht nur bedingt durch die Corona-Pandemie.

„Das Tagebuchfragment Isle de Cube. Antilles en général ist die wichtigste Quelle zu Humboldts zweitem Aufenthalt auf Kuba im Jahr 1804“, erläutert Dr. Tobias Kraft, Arbeitsstellenleiter des Akademienvorhabens „Alexander von Humboldt auf Reisen – Wissenschaft aus der Bewegung” der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Im Rahmen des Akademienvorhabens wurde es 2016 erstmals in einer wissenschaftlichen Edition veröffentlicht.

Eben dieses Tagebuchfragment gilt als der Beginn von Humboldts wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Thema Sklaverei und Plantagenwirtschaft in der Karibik. 1826 veröffentlichte er in Paris die zweibändige Studie Essai politique sur l'île de Cuba, eine bis heute zentrale Schrift für das Verständnis der kubanischen Gesellschaft und Politik im 19. Jahrhundert. „Die Handschriften, die mit zahlreichen Anmerkungen versehen sind, lassen den intensiven Austausch zwischen Humboldt und den kubanischen Eliten aufleben. Sie thematisieren die Sozialstruktur Kubas im 19. Jahrhundert, befassen sich mit der Wirtschaft und den Bedingungen, unter denen der transatlantische Sklavenhandel stattfand“, betont Kraft.

Kulturerbeforschung: lokal und digital

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Proyecto Humboldt Digital

Eigens um Humboldts ‚kubanisches Erbe‘ zu bewahren und international zugänglich zu machen, hat Kraft 2019 das ProHD-Projekt initiiert: ein internationales und interdisziplinäres Pionierprojekt von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Deutschland) und der Oficina del Historiador de la Ciudad de la Habana (Kuba) sowie weiteren Partnern.

Das ProHD-Team erforscht und erschließt nicht nur die schriftlichen Spuren der „kubanischen Jahre“ (1800-1830) Alexander von Humboldts. ProHD ist zugleich eine Initiative zur Fortbildung in den Digitalen Geisteswissenschaften. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Theorien, Methoden und Technologien im international aufstrebenden Gebiet der Digitalen Geisteswissenschaften. „Mit dem Projekt bauen wir gemeinsam dauerhafte lokale Strukturen für die Durchführung digitaler Kulturerbeforschung auf“, so Kraft, „der Schwerpunkt liegt auf der kubanischen Schriftkultur des 18. und 19. Jahrhunderts“.

Zusammenarbeit in Corona-Zeiten

Konzeption, Aufbau der Strukturen vor Ort, Arbeitstreffen – kein leichtes Unterfangen in Zeiten der Corona-Pandemie. In 2019 hat das Berliner Team mehrere Wochen in La Habana verbracht, doch sowohl der für Mai 2020 geplante Besuch des kubanischen Teams in Berlin als auch die zweite Reise nach La Habana im Herbst 2020 mussten Corona bedingt ausfallen. „Diese beiden Treffen wären für die konkrete Fortbildung wichtig gewesen. Wir haben versucht, dieses Problem durch externe Online-Kurse auszugleichen, um zumindest auf diesem Weg eine schrittweise Fortbildung in beiden Teams zu ermöglichen. Zudem haben die massiven Einschränkungen den Aufbau der Hardware und der Arbeitsräume in Kuba verlangsamt“, bedauert Kraft. Aber: Seit Herbst 2020 sind alle Hardware-Geräte in Kuba, seit Dezember laufen die Scantests und die Einrichtung des Metadaten-Workflows. „In Berlin arbeiten wir derzeit intensiv am Aufbau der Software-Anwendungen sowie an der Dokumentation der Methoden für die Erstellung digitaler Editionen“, sagt Kraft zum Stand der Dinge.

Er hofft darauf, bald beide Komponenten des Projekts – Digitalisierung der Schriften und Erschließung ihrer Inhalte durch digitale Editionen – zu verbinden. Die entscheidenden Lerneffekte entstehen, so Kraft, in der konkreten Anwendung, in gemeinsamen Workshops, in der Arbeit mit den Objekten, den Technologien und Methoden vor Ort. „Nicht zuletzt fehlen in Zeiten der Corona-Pandemie die persönlichen Begegnungen“, betont Kraft und stellt fest: „ProHDist gelebte Kooperation: kein Papiertiger, der Absichten formuliert, sondern ein lebendiges Projekt, das von Menschen durchgeführt wird, die mit- und voneinander lernen. Bleiben wir optimistisch, dass uns das Jahr 2021 wieder näher zusammenführt“.

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Das Berliner ProHD-Team im Gebäude der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin

Das Berliner ProHD-Team im Gebäude der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin: Dr. Antonio Rojas Castro, Dr. Tobias Kraft und Dr. Kathrin Kraller (v. l. n. r.)

Andrea Hofmann (BBAW)

Die Casa Museo Alejandro de Humboldt in der Altstadt von La Habana (Kuba)

Die Casa Museo Alejandro de Humboldt in der Altstadt von La Habana (Kuba): Seit Dezember 2019 präsentiert das Haus eine neue, zusammen mit deutschen Partnern entwickelte Dauerausstellung zu Alexander von Humboldt, in die auch Ergebnisse der Arbeit von ProHD einfließen sollen.

Dr. Tobias Kraft

Dachterrasse der Casa Humboldt, La Habana (Kuba).

Dachterrasse der Casa Humboldt, La Habana (Kuba). Hier liegen die Büroräume von ProHD.

Dr. Tobias Kraft

Proyecto Humboldt Digital kubanisches Team

Proyecto Humboldt Digital kubanisches Team

Néstor Martí (Havanna, Kuba)

In aller Kürze: Proyecto Humboldt Digital (ProHD)

Das Proyecto Humboldt Digital (ProHD) – Initiative zur Fortbildung in den Digitalen Geisteswissenschaften (La Habana/Berlin)“ ist ein Kooperationsprojekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) und der Oficina del Historiador de La Ciudad de La Habana (OHCH, Kuba). Initiator und Projektleiter von ProHD ist Dr. Tobias Kraft (BBAW), auf kubanischer Seite verantworten Michael González Sánchez und Nelys García Blanco (OHCH) das Projekt. (Eine vollständige Liste der am Projekt beteiligten Institutionen finden Sie hier.)


Der Schwerpunkt des Projekts ist die kubanische Schriftkultur des 18. und 19. Jahrhunderts, insbesondere die Erschließung der Quellenlage zu Alexander von Humboldts kubanischer Forschung im Zeitraum 1800–1830. In deutsch-kubanischer Zusammenarbeit entsteht ein digitales Archiv, dessen Dokumente für alle Interessierten aus Wissenschaft und Öffentlichkeit im Open Access zur freien Nutzung gestellt werden.


ProHD wird aus Mitteln des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen Amtes sowie aus Fördermitteln der Fritz Thyssen Stiftung und der Gerda Henkel Stiftung in Höhe von insgesamt 730.000 Euro über einen Zeitraum von zunächst drei Jahren finanziert; es ist sowohl in Berlin als auch in Havanna angesiedelt.


Weitere Informationen zu ProHD findet man hier.

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