Regionalstudien (Area Studies)

Die Entwicklung des Rechtsstaats in Osteuropa, die Ausbeutung von Rohstoffen in Lateinamerika oder die Digitalisierung von Film und Musik in Afrika und Asien – grenzüberschreitende Fragen können am besten in grenzüberschreitender Zusammenarbeit beantwortet werden. Wie dies gelingt, zeigen die Regionalstudien in Deutschland.

Lupe liegt auf historischem Kartenmaterial; © Adobe Stock / Andrey Burmakin

Adobe Stock / Andrey Burmakin

Die Regionen und Gesellschaften unserer Welt sind miteinander verflochten, sei es politisch, wirtschaftlich, kulturell, sozial, religiös oder auch digital. Diese Verflechtungen zu erforschen, dokumentieren und interpretieren ist eine Kernaufgabe der Regionalstudien. Mit ihrem Wissen und ihren interdisziplinären Kooperationen, die regional und thematisch fokussiert sind, tragen sie zum besseren Verständnis aktueller und historischer Entwicklungen bei.

Mit der Förderrichtlinie (Bundesanzeiger vom 24.09.2019) fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die theoretische, konzeptionelle, methodische und empirische Weiterentwicklung der area studies. Ab April 2021 erhalten acht Verbund- und vier Einzelprojekte für zunächst drei Jahre eine Förderung im Umfang von rund 20 Millionen Euro. Regionalstudien spielen auch in den Fördermaßnahmen Käte Hamburger Kollegs und Merian Centres eine Rolle. Überdies sind sie in den Kleinen Fächern vertreten, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung ebenfalls fördert.

Ein wichtiges Ziel der Förderung liegt darin, wissenschaftliche Erkenntnisse im akademischen Raum und darüber hinaus zu verbreiten. Die geförderten Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen organisieren daher in den nächsten Jahren Transfer- und Wissenschaftsfestivals. Sie erstellen Streams, eröffnen Blogs und präsentieren Impressionen ihrer Arbeit auf Instagram und anderen sozialen Medien. Ebenso werden die klassischen Veröffentlichungsformate bedient, die über Open Access frei zugänglich sind.

Überblick über die geförderten Projekte

CEDITRAA - Cultural Entrepreneurship and Digital Transformation in Africa and Asia

Johann Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

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Projektleitung: Prof. Dr. Vinzenz Hediger, Prof. Dr. Matthias Krings

Kurzbeschreibung: Das Verbundprojekt untersucht, wie die Digitalisierung die Kulturproduktion im subsaharischen Afrika und Ostasien verändert. Dies geschieht anhand von Musik und Film als Beispiele für kulturelle Ausdrucksformen immaterieller Art. Untersucht wird die Kulturproduktion in Nigeria und Südkorea – zwei Ländern, deren Kulturproduktion schon lange nicht mehr von den Produkten der US-amerikanischen Kulturindustrie dominiert wird. Dabei interessiert die Frankfurter und Mainzer Wissenschaftler:innen, inwieweit die neuen Kulturindustrien mit überregionaler Reichweite zum Faktor wirtschaftlicher Entwicklung ihrer Herkunftsregionen werden.

Webseite: CEDITRAA

De:link//Re:link - Lokale Perspektiven auf transregionale Ver- und Entkopplungsprozesse

Humboldt-Universität zu Berlin, Internationales Konversionszentrum Bonn (BICC), Zentrum Moderner Orient (ZMO/GWZ Berlin e. V.), Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS Berlin)

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Projektleitung: Prof. Dr. Claudia Derichs, Dr. Katja Mielke, Prof. Dr. Kai Kresse, Dr. Julia Langbein

Kurzbeschreibung: Das Verbundprojekt untersucht, wie sich transregionale Infrastrukturprojekte wie die 2013 von China initiierte Belt-and-Road-Initiative (BRI) z. B. bis nach Duisburg auswirken, da der dortige Binnenhafen der Endpunkt der Neuen Seidenstraße in Europa ist. Es untersucht lokale Sichtweisen, Reaktionen und Mobilisierungen in Bezug auf die transregionalen Infrastrukturprojekte und arbeitet heraus, wie Asien, Afrika und Europa in der Interaktion vieler verschiedener Akteure politisch, institutionell, sozioökonomisch, kulturell und sprachlich (neu) ver- bzw. entkoppelt werden.

Webseite: De:link//Re:link

EUTIM - Forschungskolleg Europäische Zeiten / European Times

Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Universität Potsdam, Forum Transregionale Studien (Berlin)

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Projektleitung: Prof. Dr. Annette Werberger, Prof. Dr. Alexander Wöll, Georges Khalil

Kurzbeschreibung: Der Verbund untersucht Narrative von Zeit und Raum an den Rändern Europas, besonders in Mittelost-/Osteuropa sowie im Mittelmeerraum. Ausgehend von den Erfahrungen dieser Gesellschaften werden Konzepte wie „Alt“/„Neu“ und „Ost“/„West“ mit ihren zeitlichen Grenzziehungen und Verortungen analysiert. Kulturelle Phänomene der Ungleichzeitigkeit werden im Hinblick auf Prozesse der Enteuropäisierung und Europäisierung untersucht.

Extraktivismus - Rohstoffextraktivismus in Lateinamerika und dem Maghreb

Universität Kassel, Philipps-Universität Marburg

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Projektleitung: Prof. Dr. Hans-Jürgen Burchardt, Prof. Dr. Rachid Ouaissa

Kurzbeschreibung: Der Verbund untersucht den Rohstoffextraktivismus, den viele Länder des Globalen Südens betreiben, in Lateinamerika und im Maghreb. „Extraktivismus“ bezeichnet ein Entwicklungsmodell, das auf dem Abbau und dem Export von Rohstoffen basiert. Durch starke Preisschwankungen und Veränderungen der Nachfrage für Rohstoffe ist das Modell krisenanfällig und führt häufig zu wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verwerfungen. Leitend ist die Hypothese, dass sich trotz großer kultureller, sozialer oder religiöser Unterschiede in verschiedenen Regionen ähnliche gesellschaftliche Muster des Extraktivismus herausbilden.

Webseite: Extractivism

GUMELAB – Geschichtsvermittlung durch Unterhaltungsmedien in Lateinamerika. Labor für Erinnerungsforschung und digitale Methoden

Freie Universität Berlin

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Projektleitung: Prof. Dr. Stefan Rinke, Dr. Mónika Contreras

Kurzbeschreibung: In Lateinamerika hat die Produktion von Telenovelas und Serien, die die jüngere Vergangenheit der Region thematisieren, in den vergangenen zwanzig Jahren einen deutlichen Zuwachs erfahren. Das Projekt untersucht, wie sich diese Telenovelas auf die trans-/nationale Rezeption lateinamerikanischer Geschichte und Erinnerung sowie auf politische Einstellungen in der Region und bis in Exil- und Migrationsgemeinden in den USA und Europa hinein auswirken. Die Ergebnisse sollen unter anderem für die politische Bildung genutzt werden.

Webseite: GUMELAB

Jena-Cauc – Resilienz im Südkaukasus: Perspektiven und Herausforderungen des neuen EU-Außenpolitikansatzes

Friedrich-Schiller-Universität Jena

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Projektleitung: Prof. Dr. Diana Forker

Kurzbeschreibung: Der Kaukasus ist in den letzten 15 Jahren durch zahlreiche außenpolitische Programme näher an die EU gerückt. Seit einigen Jahren steht die Stärkung der staatlichen und gesellschaftlichen Resilienz in den Nachbarschaftsregionen im Zentrum der EU-Außenpolitik mit dem Ziel, Stabilität und Demokratisierung zu erreichen. Ziel des Projektes ist es, den Resilienz-Ansatz der EU-Außenpolitik im Südkaukasus und dessen Beitrag zu Konflikt- und Krisenprävention sowie zur regionalen und europäischen Integration zu analysieren. So sollen politisch relevante Ansätze entwickelt werden, die zur effektiveren Gestaltung der Regionalpolitik der EU in der Region beitragen können.

Webseite: Jena-Cauc | Friedrich-Schiller-Universität Jena

LinkingBorderlands - Dynamiken grenzregionaler Peripherien

Universität des Saarlandes, TU Kaiserslautern, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg

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Projektleitung: Jun.Prof. Dr. Florian Weber, Prof. Dr. Karina Pallagst, Prof. Dr. Konstanze Jungbluth, Prof. Dr. Ludger Gailing

Kurzbeschreibung: Der Verbund untersucht europäische Grenzregionen als Kontaktzonen und Übergangsbereiche an nationalstaatlichen Rändern. So werden Entwicklungspfade und Umbrüche in sog. Borderlands beleuchtet. Den gemeinsamen Zugang bilden die Border Studies, die eine interdisziplinäre Bearbeitung grenzregionaler Fragen ermöglichen. Gemeinsam werden die Grenzräume Großregion Saar-LorLux und Brandenburg/Lebus analysiert, die einen unterschiedlich hohen Verflechtungsgrad aufweisen und deren Teilgebiete zu verschiedenen Zeiten in die EU aufgenommen wurden. Fünf Schwerpunkte sind: a) PolicyTransfer und -Lernen, b) soziale Praxis und Sprache auf dem Gebiet der Berufsausbildung, c) kulturelle Aushandlungsprozesse im Film, d) Planungskulturen und e) Energietransitionen. Angestrebt wird eine Verstetigung der Grenzraumforschung.

Webseite: Linking Borderlands: Dynamiken grenzregionaler Peripherien | Universität des Saarlandes

NISANSA - Soziale Klimawandelfolgen und Nachhaltigkeitsinnnovation im globalen Süden

Philipps-Universität Marburg, Justus-Liebig-Universität Gießen

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Projektleitung: Prof. Dr. Simone Strambach, Prof. Dr. Jörn Ahrens

Kurzbeschreibung: Klimawandelforschung ist bislang stark naturwissenschaftlich geprägt. Zudem konzentrieren sich westliche Diskurse über Klimawandelfolgen bislang auf den globalen Norden und einzelne ikonische Regionen wie die Arktis oder pazifische Inselstaaten. Das Verbundprojekt NISANSA ergänzt die Klimawandelforschung um regional- und sozialwissenschaftliche Perspektiven und nimmt dabei den globalen Süden in den Blick. Das Projekt untersucht, mit welchen Klimawandelfolgen die Gesellschaften des globalen Südens (südliches Afrika und nördliches Südamerika) konfrontiert sind, welche Potenziale, darauf zu reagieren, bestehen und welche Auswirkungen dies für den globalen Norden, Europa und Deutschland hat.

Re-Act – Rechtsstaatlichkeit in Ostmitteleuropa

Universität Leipzig

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Projektleitung: Prof. Dr. Astrid Lorenz

Kurzbeschreibung: Das Vorhaben befasst sich mit Vorstellungen über Rechtsstaatlichkeit in den Ländern Ostmitteleuropas, die mit jenen der EU konfligieren. Angestrebt werden Vorschläge für die Lösung der Rechtsstaatlichkeitsprobleme in Europa. In Übereinstimmung mit dem Leipziger Ansatz der Regional- und Globalisierungsforschung betrachtet das Projekt die Entwicklung von Rechtsstaatlichkeit als Ergebnis des Handelns gesellschaftlich eingebetteter Akteure mit je unterschiedlichen Zielsetzungen. Ziel des Projektes ist eine Klärung, wie sich auf die Rechtsstaatlichkeit bezogene Imaginationen und Interessen zu akteurspezifischen Vorstellungen verdichten. Dabei werden Länder mit stärkeren und geringeren Rechtsstaatlichkeitsdefiziten seit 1990 analysiert - verbunden mit gegenwartsbezogenen Interviews sowie historiographischen Analysen für den Zeitraum seit
1918.

Webseite: Re-Act Uni Leipzig

Stadt.Kultur.Bauen – Baukulturelles Erbe in der post-sowjetischen Stadtentwicklung

Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO Leipzig) e.V.

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Projektleitung: Prof. Dr.-Ing. Barbara Engel, Prof. Dr.-Ing. Carola Silvia Neugebauer, Dr. Corinne Geering

Kurzbeschreibung: Der Verbund will im internationalen und interdisziplinären Dialog neue Ansätze zu einem nachhaltigen Umgang mit dem baukulturellen Erbe im postsowjetischen Raum entwickeln. Untersucht werden Städte in Russland im Schnittfeld von Kultur-, Geschichts-, Sozial-, Planungs- und Umweltwissenschaften. Am Beispiel von ausgewählten Stadtquartieren aus den vorsozialistischen und sozialistischen Epochen des späten 19. und des 20. Jahrhunderts wird erforscht, welche vergangenheits- und gegenwartsbezogenen Werte den vielfältig bedrohten Wohnbaubeständen zugeschrieben werden. Dabei werden Ansätze der Denkmalpflege und Stadtplanung sowie des zivilen Engagements genutzt.

US-Wohlfahrtsstaat - 'Welfare Queens' and 'Losers': eine intersektionale Untersuchung zur Wirkungsweise von "Rasse" und Geschlecht und deren Reproduktion im U.S.-amerikanischen Wohlfahrtsstaat

Universität Passau

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Projektleitung: Prof. Dr. Karsten Fitz, Dr. Grit Grigoleit-Richter

Kurzbeschreibung: Das Projekt untersucht die zunehmenden sozioökonomischen und strukturellen Ungleichheiten in den USA zwischen der weißen Mehrheitsbevölkerung und rassifizierten (racialized) Minderheiten. Während sich Erklärungsansätze bislang vor allem auf die Interaktion von Staat, Markt und Familie fokussieren, werden in diesem Projekt ungleichheitsstiftenden Kategorien wie "Rasse" und Geschlecht und deren Verschränkung in der Entwicklung von Wohlfahrtspolitiken untersucht. Aus der Untersuchung der Wirkungsweisen von Rassismus lassen sich konkrete Empfehlungen und Maßnahmen ableiten, die in der Prävention, Antidiskriminierungsarbeit und politischen Bildungsarbeit genutzt werden können.

Webseite: 'Welfare Queens' and 'Losers'

WONAGO – Weltordnungsnarrative des Globalen Südens Das Mapping von Macht und Interessen in den areas seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert

Universität Hamburg, GIGA German Institute of Global and Area Studies Hamburg

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Projektleitung: Prof. Dr. Ulrich Mücke, Prof. Dr. Eckart Woertz

Kurzbeschreibung: Das Verbundprojekt untersucht Weltordnungsnarrative in Lateinamerika und Afrika, dem Nahen Osten und Asien. Die Jahrzehnte seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert sind sowohl vom Ende der bipolaren Weltordnung als auch vom Aufstieg der Länder und Regionen des globalen Südens geprägt. Dieser epochale Umbruch wird häufig mit Ordnungsentwürfen des Globalen Nordens wie der hegemonialen Rolle der USA, Multilateralismus oder einer Aufteilung der Welt unter zwei Supermächten, den USA und China, erklärt. Das Verbundprojekt geht hier weiter, indem es Weltordnungsnarrative im Globalen Süden, die Rolle von historischen Vorstellungen für die heutigen Weltordnungsnarrative und die Entwicklung alternativer Narrative untersucht.

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